Johann Ludwig Fricker II

 

Am Grab Johann Ludwig Frickers

Inschriften und Fotos

 

von

Herbert Henck

 

Wie in meinem Aufsatz Vom Monochord zur vierten Dimension, Johann Ludwig Frickers irdische und himmlische Musik bereits erwähnt, hat man bisher vergeblich nach einem Portrait von Fricker gesucht. Dieser Umstand macht vielleicht die hier wiedergegebenen Fotos, die sämtlich am 26. Dezember 1974, also am zweiten Weihnachtsfeiertag, auf dem Dettinger Friedhof aufgenommen wurden und das Grabmal Frickers zeigen, um so interessanter, da dieses neben Manuskripten und zeitgenössischen Drucken zu den wenigen Dokumenten aus der damaligen Zeit zählt. Ich hatte über dieses Grabmal in Ehmanns Fricker-Biographie von 1864 gelesen und im November 1974 erste briefliche Auskünfte des hilfsbereiten Dettinger Pfarrers Gerhard Gläser über das Vorhandensein des Grabsteins erhalten. Nun wollte ich den Stein, der damals noch in der Friedhofsmauer eingelassen war, selbst sehen. Die Aufnahmen machte mein Vater, Helmut Henck (1920–1994).

Im Anschluss an diesen Besuch in Dettingen an der Erms (vormals: Dettingen unter Urach), wo Fricker zuletzt als Pfarrer gearbeitet hatte, schrieb ich, da sich der Stein in desolatem Zustand befand, im Februar 1975 ausführlich an das Tübinger Landesdenkmalamt und machte auf Frickers geistes- und landesgeschichtliche Bedeutung aufmerksam. Man nahm sich der Sache an, und der Stein wurde, soweit ich mich erinnere, in die Dettinger Kirche umgesetzt, wo er fortan besser geschützt war. Gesehen habe ich ihn dort nicht selbst, da ich nicht mehr nach Dettingen zurück kam.

Der Text des Grabsteins, bereits so stark verwittert, dass er stellenweise nicht mehr entzifferbar war, ist bei Ehmann (Karl Christian Eberhard Ehmann, Johann Ludwig Fricker, Tübingen 1864, S. 102) überliefert, eine Quelle, die einem Restaurator offenbar unbekannt geblieben war, so dass sich nun gleich mehrere Fehler auf dem Stein befanden. Beispielsweise muss es zu Beginn »Mund« und nicht »Mann« heißen (siehe Abb. 4). Eine Fußnote bei Ehmann besagt, dass bei der 1846 vorgenommenen Restaurierung des Steins das Wort »Secten« in »Seelen« verwandelt wurde (siehe Abb. 7). Der vergleichsweise umfangreiche, eine Biographie und Charakterisierung enthaltende Text lautet in Ehmanns Schreibweise, welche die Orthographie der Grabinschrift teilweise bereits modernisierte:

    »Ein Mund in vielen Sprachen, Hände, in der Ton- und Meßkunst in Stuttgart und in Tübingen mit Fleiß geübt, sind das geringste; aber betrachte ein von Gott frühe geöffnetes Ohr, wodurch er aufs Wort und himmlische Weisheit gemerkt, und als ein echter Schüler des prüfenden Oetinger, auf dem Jahrmarkt aller Sekten und Religionen in Holland und England einzig um die Perle der Wahrheit gewuchert; ein niedrig Herz, seiner Paulinischen Statur gleich, welches den Hirtenstab höheren Stellen vorgezogen; eine mächtige Predigers-Stimme, die im Geist Eliä die wahre Gerechtigkeit gelehrt, zwei Jahre als Diakonus, zwei Jahre als Pfarrer in Dettingen unter Urach; ein erleuchtetes und einfältiges Auge, das auf seinen Weg sorgfältig gesehen, und die Kinder der Gnade nach der Epistel Johannes im Licht wandeln gelehrt.«

     

 

Abb. 1: Ecke der Dettinger Friedhofsmauer
Frickers Grabstein rechts, mit Efeu am rechten Rand

 

Abb. 2: Der Grabstein, Gesamtansicht

 

Abb. 3: Oberteil des Grabsteins

 

Abb. 4: Grabinschrift (Anfang)

 

Abb. 5: Grabinschrift (Mitte)

 

Abb. 6: Grabinschrift (Ende)

 

Abb. 7: Grabinschrift, Detail (früher »Secten«, jetzt »Seelen«)

 

Abb. 8: Der Verfasser am Grab

 

 

Alle Fotos: Helmut Henck, 26. Dezember 1974

 

 

Erste Eingabe ins Internet:  Mittwoch, 18. Juli 2001
Letzte Änderung:  Samstag, 9. Februar 2019

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