Rita Kurzmann-Leuchter  Teil II

 

Rita Kurzmann-Leuchter

Eine österreichische Emigrantin
aus dem Kreis der Zweiten Wiener Schule

Teil 2


von

Herbert Henck

 

 

Teil 1

Einleitung    Ausgang: Norbert von Hannenheims Klaviersuite Nr. 6

Wien   (1900–1936)

Kapitel   1    Herkunft und Ausbildung
Kapitel   2    Erste Ehe, Rudolf Kurzmann
Kapitel   3    Dissertation bei Guido Adler, Studien, Konzerte
Kapitel   4    Im Wiener Konzerthaus
Kapitel   5    Am Neuen Wiener Konservatorium
Kapitel   6    Arbeit für die IGNM
Kapitel   7    Rundfunkarbeit
Anmerkungen Teil 1


Teil 2

Kapitel   8    Weberns Vorträge bei Rita und Rudolf Kurzmann
Kapitel   9    Arbeiter-Symphonie-Konzerte
Kapitel  10   Louis Krasner und Alban Bergs Violinkonzert
Kapitel  11   Rita Kurzmanns Klavierauszug von Bergs Violinkonzert
Kapitel  12   Ein Brief an Nikolai Berezowsky
Kapitel  13   1936, das Jahr der Emigration


Buenos Aires   (1936–1942)

Kapitel  14   Neue Erfahrungen – Briefe an Krasner und Kolisch
Kapitel  15   Die letzten Jahre
Kapitel  16   Die Publikationen in Argentinien
Kapitel  17   Dreizehn Briefe an Francisco Curt Lange und ein letzter Brief
Anmerkungen Teil 2


Teil 3

Erwin Leuchter   (1902–1973)

Kapitel 18    Herkunft und Ausbildung, Dissertation und Konzerte
Kapitel 19    Leuchter im Wiener Konzerthaus
Kapitel 20    Erwin Leuchters Schriften
Anmerkungen Teil 3


Chronologische Übersicht zur Biographie von Rita Kurzmann-Leuchter
Abbildungsnachweis
Dank

 

 

Kapitel 8
Weberns Vorträge bei Rita und Rudolf Kurzmann

Anfang 1932 und 1933 hielt Anton Webern in wöchentlichem Abstand zwei frei gesprochene Vortragsreihen, für die Rita und Rudolf Kurzmann ihre Wohnung in der Unteren Viaduktgasse 35 im III. Wiener Bezirk zur Verfügung stellten. [88] Diese Adresse verwendete auch die »Sektion Österreich der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (Verein für neue Musik)« als offizielle Anschrift. [89] Bereits die erste Vortragsserie hatte so prominente Besucher wie Ernst Křenek, Eduard Steuermann, Karl Amadeus Pisk und Erwin Stein, und selbst Alban und Helene Berg scheinen zumindest gelegentlich unter ihnen gewesen zu sein. [90] Zwei der Vortragsreihen wurden von dem Wiener Rechtsanwalt Dr. Rudolf Ploderer [91] mitstenographiert und von Willi Reich 1960 als Der Weg zur neuen Musik herausgegeben. [92] Im Vorwort der Publikation dieser Vorträge, die zu den »Grundpfeilern der Webern-Literatur« (Moldenhauer) gehören, [93] war zwar nur davon die Rede (S. 7), dass Webern sie »in einem Wiener Privathaus vor gegen ein geringes Entgelt zugelassenen Hörern gehalten« habe, doch gehen Hans und Rosaleen Moldenhauer in ihrer Biographie Weberns mehrfach auf dessen freundschaftliche Bindungen an das Ehepaar Kurzmann ein und kommen auch auf die Vorträge in der Wohnung desselben zu sprechen. [94]

Erst in jüngster Zeit wurde insbesondere durch Neil Boyntons detaillierte Erforschung von Weberns Vortragstätigkeit deutlich, in welchem Umfang die Kurzmanns Gastgeber Weberns waren, denn Webern setzte hier, in der »zwanglosen Atmosphäre eines privaten Musikzimmers« [95] (Else Cross), seine Vorträge 1934/35 und 1935/36 fort, und selbst nachdem Rita Kurzmann Österreich verlassen hatte, diente dieser Ort bis zu Rudolf Kurzmanns Emigration Webern in den Jahren 1936/37 und 1937/38 für weitere Vortragsreihen. [96]

 

Kapitel 9
Arbeiter-Symphonie-Konzerte

In den Jahren 1931 und 1934 wirkte Rita Kurzmann bei zwei Wiener Arbeiter-Symphonie-Konzerten mit, die in dieser Zeit vornehmlich von Webern, gelegentlich auch von Rita Kurzmanns späterem Ehemann Erwin Leuchter geleitet wurden. So nahm sie im Festsaal des Hauses der gastgewerblichen Arbeiterschaft am 6. Dezember 1931 bei einem Kammermusikabend an einer Aufführung der vierhändig begleiteten Liebeslieder-Walzer op. 52 von Johannes Brahms teil, wobei Paul A. Pisk den anderen Klavierpart übernommen hatte. [97] Und am 11. Februar 1934 war Rita Kurzmann eine jener vier Pianistinnen, die im Großen Musikvereinssaal Johann Sebastian Bachs Konzert für vier Klaviere aufführten. Die Leitung des Konzertes, des überhaupt letzten Arbeiter-Symphonie-Konzertes der 1906 von David Josef Bach begründeten Veranstaltungsreihe, hatte Erwin Leuchter. [98] Am folgenden Tag brach der Bürgerkrieg aus, und zu den Folgen der Niederschlagung des gegen die Dollfuß-Regierung und den immer bedrohlicher werdenden Faschismus gerichteten Aufstandes gehörte neben dem Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs auch die Auflösung der für die Konzertreihe zuständigen, von David Josef Bach 1919 gegründeten und bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1933 geleiteten »Sozialdemokratischen Kunststelle«. [99]

Weitere von Erwin Leuchter dirigierte Arbeiter-Symphonie-Konzerten und Einzelheiten der Programme werden weiter unten genannt. [100]

 

Kapitel 10
Louis Krasner und Alban Bergs Violinkonzert

Wann genau Rita Kurzmann Alban Berg persönlich kennen lernte, lässt sich nicht sagen, spätestens dürfte dies aber 1932 im Rahmen von Weberns Vorträgen möglich geworden sein, bei denen, wie erwähnt, Alban und Helene Berg gelegentlich anwesend waren. [101] Die Bekanntschaft scheint jedoch, dafür sprechen die später zitierten Briefe, erst 1935 im Zusammenhang mit der Entstehung von Bergs Violinkonzert vertrauter geworden zu sein.

Der Geiger Louis Krasner [102], der Berg Anfang 1935 überzeugen konnte, ein Konzert für ihn zu schreiben, berichtete mehrfach über die näheren Umstände und die nicht ganz unwichtige Vermittlerrolle, die Rita Kurzmann hierbei spielte. Im Rahmen einer chronologischen Darstellung der Ereignisse schrieb Krasner 1980 hierüber:

    »Proceeding now in the chronology of events, my real acquaintance with Berg, Webern and the music of the Schoenberg School, came through the highly esteemed Dr. Rita Kurzmann, who, during my Vienna years of study and performance, was my pianist and collaborator. I participated in discussions and cafehouse meetings with Berg, Webern, and many of the younger twelve-tone followers and enthousiasts. The Webern lectures in the Kurzmann home made a deep impression on me as did those of Dr. Oscar Adler [103] and, to be sure, also the Berg Piano Sonata performances of Rita Kurzmann.« [104]

Als Krasner Alban Bergs Streichermusik noch besser kennen lernen wollte, bevor er sich dem Komponisten mit dem Wunsch nach einem Violinkonzert näherte, und er 1934 nach einer Gelegenheit suchte, die Lyrische Suite (1925/26) zu hören, halfen die Kurzmanns:

    »Upon my return to Vienna [in 1934], I sought immediately to hear somewhere a performance of the Berg Lyric Suite. This, in itself, proved to be a quite problematic matter since I was told that only the Kolisch Quartet had this music in their repertoire and that they were on tour out of the country. [105] My good friends the Kurzmanns again offered to help. They remembered that a newly established, young and talented family string quartet – a brother and three sisters – had in their debut concert played the Lyric Suite very impressively and successfully. Since they were Kurzmann’s friends, arrangements were quickly made for a private musicale in the Kurzmann home on the following Sunday. There I heard a brilliant performance of the Berg Lyric Suite by the youthful Galimir Quartet [106], under ideal circumstances. Parenthetically, I might add that these ideal circumstances acquainted me with the second violinist of the quartet, Adrienne Galimir [107], who, in due course, became my wife.« [108]

Doch auch Krasners erste persönliche Begegnung mit Berg wurde, zumindest teilweise, von Rita Kurzmann vermittelt. Auf Burkhard Laugwitz’ Frage, wo diese stattgefunden habe, antwortet Krasner:

    »Meiner Erinnerung nach war es in der Universal Edition. Meines Wissens haben dies Dr. [Hans Walter] Heinsheimer von der UE und David Josef Bach, der ein Freund von mir war, arrangiert. […] Und Bach war gut befreundet mit Alban Berg. Die Kurzmanns hatten mich allerdings gewarnt und gesagt: Der Berg wird nie ein Violinkonzert schreiben, das ist nicht seine Art. Der schreibt nur große Werke. Doch ich habe darauf bestanden, mit ihm zusammen zu kommen. So, durch Kurzmann, Bach und Heinsheimer, der wiederum ein eigenes Interesse daran hatte, kam es zu der Begegnung.« [109]

Im Hause Kurzmann begegnete Krasner auch Webern:

    »Die [gemeint ist die erste Begegnung mit Webern] war auch im Kaffeehaus. Später bin ich ihm dann auch in einem Privathaus, im Haus von Rita und Rudolf Kurzmann begegnet. Rudolf Kurzmann war ein Arzt, und seine Frau Rita war eine sehr gute Pianistin. Sie ist später meine Klavierbegleiterin geworden, mit der ich viele Konzertreisen gemacht habe. [110] Sie hat dann auch den Klavierauszug vom Violinkonzert von Alban Berg gemacht. Und dort in deren Haus hat Webern einen Kurs gehalten über die Klaviersonaten von Beethoven.« [111]

 

Kapitel 11
Rita Kurzmanns Klavierauszug von Bergs Violinkonzert

Die Anfertigung des Klavierauszugs von Bergs Violinkonzert unter Mitwirkung des Komponisten ist sicher eines der bleibenden Verdienste Rita Kurzmanns, auch wenn erstaunlicherweise der Druck bis heute ihren Namen nicht ausweist. [112]  Dieses Versäumnis bedauerte auch Krasner schon, und er spricht von seiner Ausführung als einer »eminently satisfactory manner«. [113] Im Rahmen der Arbeiten an dem Klavierauszug, den Kurzmann zunächst nur »zu Studienzwecken mit Herrn Krasner« [114] begonnen hatte, wurden einige Briefe zwischen Berg und Kurzmann gewechselt. Der von Berg am 17. September 1935 geschriebene Brief ist inzwischen im Druck erschienen, ein Brief, aus dem auch eine schwere Erkrankung Kurzmanns hervorgeht. [115]   Am ersten Wochenende im Oktober (5./6.10.1935) besuchte Kurzmann Berg in seinem »Waldhaus« in Auen am Wörthersee zu einer gemeinsamen Durchsicht des Klavierauszugs.

Hier folgt eine Zusammenstellung der erhaltenen Korrespondenz, wobei der Vollständigkeit halber auch ein vorausgegangenes Schriftstück (1) sowie ein undatiertes, vorerst nicht genauer einzuordnendes Dokument (7) aufgenommen werden: Alle genannten Schriftstücke befinden sich heute in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) in Wien.

    (1)  2. März 1935 [Samstag], Visitenkarte von Rita Kurzmann an Alban Berg. Incipit [nach der Anrede beginnend mit]: »Anbei übersende ich Ihnen den Artikel, von dem ich Ihnen teleph[onisch] erzählte.« 2 Seiten, ÖNB, Signatur: F21 Berg 985/1

    Inhalt: Will Berg einen Artikel übersenden, von dem sie ihm bereits telefonisch berichtet hat; liest im letzten Brief von Krasner (10. Februar 1935), die erste Aufführung der Lulu-Suite unter Kussewitzky [116] werde am 28. Februar 1935 in New York stattfinden, die nächste dann in Boston. Krasner schreibe in diesem Brief wie auch in einem vor zwei Tagen [= 28. Februar 1935] empfangenen Telegramm, dass er sich sehr auf das Violinkonzert [von Berg] freue und »alles Nötige dafür disponibel hat«. Bittet um Vertraulichkeit, da sie »Dr. [Hans Walter] Heinsheimers Agenden [117] nicht vorgreifen möchte«. – Von welchem »Artikel« Rita Kurzmann hier schrieb, ist unbekannt.

    (2)  15. September 1935 [Sonntag], Briefkarte von Rita Kurzmann an Alban Berg. Incipit: »Vielen Dank für Ihre lieben Grüsse, die ich herzlichst erwidere!« 2 Seiten, ÖNB, Signatur: F21 Berg 985/2

    Inhalt: Bedankt sich eingangs für Grüße. Sie habe zu Studienzwecken mit Krasner einen Klavierauszug des Violinkonzerts begonnen, wurde aber durch eine lange Krankheit unterbrochen. Bittet Berg um Prüfung des bereits Vorhandenen, um den Auszug fertig zu stellen und Krasner nachzusenden. Legt einen kleinen [nicht erhaltenen] Fragebogen bei und bittet um Durchsicht. Fragt, ob Berg in absehbarer Zeit wieder nach Wien komme.

An dieser Stelle wäre Bergs bereits erwähnter Brief vom Dienstag, dem 17. September 1935 chronologisch einzuordnen. [118]

    (3)  21. September 1935 [Samstag], Brief von Rita Kurzmann an Alban Berg. Incipit: »Vielen Dank für Ihren Brief.« 2 Seiten, ÖNB, Signatur: F21 Berg 985/3

    Inhalt: Bedankt sich für Bergs Brief [vom 17.9.]; freut sich, die Arbeit am Klavierauszug fortzusetzen. Details über das ihr zur Verfügung gestellte Notenmaterial. Erwähnung Heinsheimers. Bittet um persönliche Besprechung offener Fragen nach Abschluss ihrer Arbeit.

    (4)  30. September 1935 [Montag], Postkarte von Rita Kurzmann an Alban Berg. Incipit: »Ich bin mit dem I. Teil des Klavierauszuges fertig«. Datiert: »Montag [30.9.1935]«, Poststempel: 30.IX.[19]35 (1 Wien 1), Absenderstempel: »Dr. RITA KURZMANN | Wien, III., Untere Viaduktg[asse] 35«, Anschrift: »Herrn | Alban Berg | Waldhaus in Auen b[ei] / Velden | a[m] / Wörthersee«, ÖNB, Signatur: F 21 Berg 985/4

    Inhalt: Berichtet vom Abschluss des ersten Teils des Klavierauszugs, den zweiten will sie bis zum Samstag [= 5.10.1935] fertig haben. Bittet, Berg am Sonntag früh [6.10.1935] besuchen zu dürfen; sie will am Samstag-Abend in Velden sein, um am nächsten Tag mit ihm offene Fragen mündlich zu klären.

Im Anschluss an diese Postkarte müsste eine nur vier Zeilen umfassende undatierte und offenbar nur fragmentarisch erhaltene handschriftliche Mitteilung Alban Bergs gefolgt sein, die ebenfalls in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (Signatur: F21 Berg 480/217) deponiert ist: »wir freuen uns auf Ihr Kommen«, schreibt Berg, und er wolle sie am Samstag um »3 Uhr am Veldener Bahnhof (außen)« treffen. Wenn es ihr »leichtmöglich« sei, möchte sie noch etwas mitbringen, doch da das Dokument hier endet und der Rest verloren scheint (dies wurde im März 2004 nochmals überprüft), lässt sich nur spekulieren, was genau Berg erbat.

    (5)  3. Oktober 1935 [Donnerstag], Postkarte Rita Kurzmanns an Alban Berg. Incipit: »Herzlichen Dank für Ihre liebe Karte.« Datiert »Donnerstag [3. 10. 1935]«, Poststempel: 3.X.[19]35 (3 Wien 40), Absenderstempel: »Dr. RITA KURZMANN | Wien, III., Untere Viaduktg[asse] 35«, Anschrift: »Herrn | Alban Berg | Waldhaus in Auen b[ei] / Velden | a[m] / Wörthersee«, ÖNB, Signatur: F 21 Berg 985/5

    Inhalt: Dankt für Karte von Berg, will am Sonntag ab 9 Uhr früh im Hotel Bulfon [119] auf Berg warten, der sie abholen will. Alles Übrige werde seinem Wunsch gemäß erledigt.

Zwischen dieser letztgenannten Postkarte und dem folgenden Brief findet der Besuch Rita Kurzmanns bei den Bergs am Wochenende des 5./6. Oktobers 1935 (Samstag/Sonntag) statt.

    (6)  8. Oktober 1935 [Dienstag], Brief von Rita Kurzmann an Alban Berg. Incipit: »Nochmals vielen herzlichen Dank für Ihrer beider so liebe Aufnahme und Gastfreundschaft«. ÖNB, Signatur: F21 Berg 985/6

    Inhalt: In dem an das Ehepaar Berg gerichteten Brief bedankt sich Rita Kurzmann im Wesentlichen für die erwiesene Gastfreundschaft und spricht die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen aus. Berg erwähnt diesen Brief Rita Kurzmanns in einem Brief an seine Frau, der am 9. Oktober 1935 verfasst wurde: »Gut geschlafen, zeitig bei der Arbeit, die erst durch die Post gestört wurde: Rita K[urzmann] dankt (Du hast’s gut, Du kannst sie jetzt täglich sehen) […].« [120]

    (7)  Undatierte Visitenkarte, Vordruck: »DR PHIL. RITA KURZMANN«, ÖNB, Signatur: F21 Berg 985/7. Incipit: »Ich würde mich außerordentlich freuen«.

    Inhalt: Einladung zu einem Konzert Rita Kurzmanns; Programm, Ort und Zeit sind nicht genannt. Beigelegt waren zwei Eintrittskarten.

Auf Grund der Schriftzüge und der Anrede »Sehr geehrter Herr Berg«, die ansonsten nur in dem unter (1) genannten Schriftstück vom 2. März 1935 erscheint und in allen späteren Briefen durch »Sehr verehrter Herr Berg!« ersetzt wird, kann man annehmen, dass die letztgenannte Einladung in die Zeit vor dem Klavierauszug des Violinkonzerts fiel und möglicherweise die erste Kontaktaufnahme mit Berg darstellte. Diese Annahme wird noch dadurch unterstützt, dass Kurzmann nur in diesen beiden Fällen eine Visitenkarte an Berg sandte.

Willi Reich (1898–1980) überliefert eine letzte Begegnung zwischen Rita Kurzmann und Berg, kurz vor dessen Tod am 24. Dezember 1935:

    »Am 14. Dezember [1935] sah er [gemeint ist Berg] noch – an Furunkulose und Fieber leidend – gemeinsam mit Frau Rita Kurzmann den von dieser angefertigten Klavierauszug des Violinkonzerts durch [...].« [120a]

 

Kapitel 12
Ein Brief an Nikolai Berezowsky

Ein etwas isoliert dastehendes Dokument, das vermutlich aus dieser Zeit stammt, mit den anderen Ereignissen aber vorerst keinen Zusammenhang erkennen lässt, ist ein Brief Rita Kurzmanns an den Geiger Nikolai Berezowsky [121] vom 13. Dezember 1935. [122]  Sie dankt für Alice Berezowskys [123], der Ehefrau des Geigers, Grüße vom Schiff und legt Photos bei, die sie schon lange hatte senden wollen. Weiteres über die Beziehungen zwischen Kurzmann und Berezowsky ist vorerst nicht bekannt.

 

Kapitel 13
1936, das Jahr der Emigration

Die Uraufführung von Bergs Violinkonzerts war für das IGNM-Fest 1936 in Barcelona eingeplant worden, wobei Krasner den Solopart spielen und Webern das Dirigat haben sollte. Für die Uraufführung des Konzertes am 19. April 1936 musste dann allerdings an Stelle von Webern Hermann Scherchen als Dirigent in letzter Minute einspringen. [124]  Die erste Aufführung in Österreich fand am Sonntag, dem 25. Oktober 1936 (12 Uhr) in Wien im Großen Musikvereinssaal statt. Es spielten die Wiener Philharmoniker unter Leitung von Otto Klemperer, den Solopart hatte wieder Louis Krasner. [124a]

Noch vor den gemeinsamen Proben mit Webern in Wien reiste Rita Kurzmann Anfang 1936 nach Boston, um dort das Werk mit Krasner gründlich einzustudieren. Krasner erinnert sich:

    »Als man mir dann ein paar Wochen nach Bergs Tod aus Wien telegrafierte, daß man die Uraufführung im April [1936] machen wollte, […] habe ich […] Rita Kurzmann gebeten, nach Amerika zu kommen. So haben wir dann zwei Monate schwer an dem Werk gearbeitet, bis wir zusammen von New York aus nach Europa gefahren sind.« [125]

Am Tag vor der achttägigen Schiffsreise arrangierte Krasner, der das neue Werk gerne auch in den Vereinigten Staaten spielen und bekannt machen wollte, eine private Aufführung bei dem berühmten Pianisten und Komponisten Leopold Godowsky [126]. Zufällig war der Geiger Mischa Elman [127] zu Besuch. »It was a true Premiere«, schreibt Krasner. [128]

Für die sich anschließenden Proben mit Webern in Wien war mehr als eine Woche vorgesehen. [129] Krasner wohnte bei den Kurzmanns. [130] Moldenhauer erzählt:

    »In engster Zusammenarbeit bereiteten Louis Krasner und Webern die Aufführung […] vor; die Proben fanden im Heim der Kurzmanns statt. Rita Kurzmann hatte den Klavierauszug zu dem Werk noch unter der unmittelbaren Aufsicht des Komponisten angefertigt. Sie ist die Quelle einer Anekdote über Webern, die seine bemerkenswerte Fähigkeit zu innerer Konzentration veranschaulicht, die ihn zuweilen tatsächliche physische Vorgänge vergessen ließ: „Webern begann mit vollgriffigen Akkorden“, geht die Geschichte, erzählt von Weberns Schüler Kurt Manschinger [131]. „Dann wurde seine Begleitung dünner und dünner, bis sie schließlich ganz aufhörte. Krasner spielte noch eine ganze Weile weiter. Plötzlich unterbrach ihn Webern mit dem Ausruf: ‚Halt, jetzt war’ ma net beisamm!‘“« [132]

Elf Tage vor der Uraufführung in Barcelona spielten Krasner und Rita Kurzmann das Werk bereits am Mittwoch, dem 8. April 1936 im Kammermusiksaal des Wiener Musikvereins in einer Voraufführung, zu der die Universal Edition eine Anzahl Freunde und Gäste eingeladen hatte. [133]

Am 8. Mai 1936 spielte sie dann, wie in der Einleitung erwähnt, anlässlich der Verleihung des Emil-Hertzka-Gedächtnis-Preises im Kammermusiksaal des Wiener Musikvereins Norbert von Hannenheims Klaviersuite Nr. 6; ferner brachte sie hier Drei Klavierstücke von Paul Dessau zur Aufführung. [134]

1936 wurde Rita Kurzmann in die USA eingeladen, um neue österreichische Musik vorzustellen, [135] und noch im selben Jahr 1936 ließ sie sich in Buenos Aires nieder. [136]  Ob die Reise in die USA vor oder nach ihrer Emigration stattfand oder Kurzmann von den USA aus direkt nach Argentinien oder bereits von Argentinien aus für das Gastspiel in die USA ging, ließ sich nicht ermitteln. Die Gründe für die Emigration dürften mit einiger Sicherheit nicht im privaten Bereich gelegen haben, sondern in den drastischen politischen Veränderungen: in der Notlage vieler Musiker, die der sozialdemokratischen Partei Österreichs nahe standen, der immer stärker werdenden Hinwendung Österreichs zum Nationalsozialismus sowie in den zunehmenden Repressalien gegen jüdische Mitbürger. [137]

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass Rudolf Kurzmann, Rita Kurzmanns erster Ehemann, jüdischer Herkunft war und dass eine große Anzahl der Musiker, deren Werke sie aufführte, mit denen sie zusammenarbeitete oder gut bekannt, wenn nicht befreundet war, ebenfalls Juden waren, wie etwa Egon Wellesz, Louis Krasner, Dea Gombrich, Eduard Steuermann, das Galimir-Quartett, Rudolf Kolisch, Paul A. Pisk, Joachim Stutschewsky, Otto Jokl, Franz Mittler, Franz Salmhofer [138]. Auch ihre Teilnahme an dem »Konzert jüdischer Musik« im Gedenken an Joel Engel (9. Mai 1927) sowie die Namen und späteren Wirkungsorte zweier ihrer Schüler (Ernst Glaser, Oper Tel-Aviv, und Roni Burstein, Jerusalem) [138a] belegen ihre Nähe zum Judentum. Möglicherweise ging die Initiative zur Auswanderung aber auch von dem ebenfalls jüdischen Erwin Leuchter aus, dessen berufliche Möglichkeiten sich nach der Revolte von 1934 und der Zerschlagung der Arbeiter-Musik-Bewegung radikal verschlechtert hatten und den Rita Kurzmann nicht zu verlassen wünschte. Falls sie ihn bei seiner Abreise aus Österreich unmittelbar begleitete, müsste dies Anfang Juni 1936 erfolgt sein, da Leuchter am 3. Juni behördlich abgemeldet wurde. [139] Hierfür spräche, dass ihre Ehe mit Rudolf Kurzmann im Monat zuvor, am 8. Mai 1936, rechtsgültig geschieden worden war, aber auch der im Anfang des nächsten Abschnitts zitierte Brief Rudolf Kurzmanns, der auf den 12. Juli 1936 datiert ist.

 

 

Buenos Aires  (1936–1942)


 

Kapitel 14
Neue Erfahrungen – Briefe an Krasner und Kolisch

Über das neue Leben in Argentinien und besonders in Buenos Aires gibt es mehrere Quellen, zunächst einen Brief von Rudolf Kurzmann an Louis Krasner, der am 12. Juli 1936 verfasst wurde und der belegt, dass Rita Kurzmann und Erwin Leuchter zu diesem Zeitpunkt bereits in Südamerika lebten:

    »Für Sie wäre es doch wunderbar, das Werk von Wien [gemeint ist Bergs Violinkonzert] diesmal unter normaleren Umständen und mit guten Nerven mit Orchester zu spielen. Ich habe dasselbe gestern Rita geschrieben, deren Korrespondenz mit mir (und umgekehrt) immer ein Kapitel L[ouis] K[rasner] enthält. Sie sollen wissen, was sie schreibt. Vieles, was Herzweh macht. Aber ich werde mich schon gewöhnen, nämlich ans Herzweh. Ich weiß nicht, ob es nicht besser ist, wenn man nicht „im guten“ auseinandergeht. Von ihrem dortigen Leben kann sie noch nichts Besonderes berichten. Alles ist erst in Vorbereitung. Die Versprechungen, die man Leuchter machte, scheinen sich zu erfüllen, doch ist auch da noch nichts zum Abschluß gekommen. Rita selbst arbeitet schon für eine Konzert- und eine Radiomitwirkung, wie sie schreibt „mit Freude“, also ein großer Fortschritt, denn hier tat sie es nur mehr verdrossen.« [139a]

Als Postskriptum fügt Rudolf Kurzmann hinzu:

    »Ich bekomme jetzt, Montag [13. Juli 1936], einen Brief von Rita mit beiliegendem Zettel für Sie, den ich ohne Verantwortlichkeit weitergebe. Rita schreibt darin von vielen neuen Aussichten für sich u[nd] L[euchter]. – Für die Platten, die ich ihr angekündigt habe, dankt sie sehr und freut sich sehr mit ihnen [sic].« [139b]

Doch die Erwartungen scheinen sich nur langsam, wenn überhaupt zu erfüllen. Das umfangreichste und persönlichste Zeugnis, das sich von Rita Kurzmann bisher auffinden ließ, ist neben ihrem weiter unten genannten Brief vom 27. Januar 1942 ein dreiseitiger handschriftlicher Brief, den sie am 19. März 1937 aus Buenos Aires an den Geiger Rudolf Kolisch schrieb. [140] Dieses Dokument befindet sich heute im Kolisch-Nachlass in der Houghton Library (Harvard University, Cambridge, Mass., USA). [141]

Vorausgegangen war offenbar ein Brief Kolischs, denn zu Beginn dankt Kurzmann ihm für seinen »lieben Brief von der Überfahrt« – wobei es sich um die Schiffspassage des Kolisch-Quartetts von den USA nach Europa Anfang 1937 gehandelt haben muss, an die sich eine dreimonatige Tournee durch Europa mit erster Station in Brüssel anschloss. Das letzte Konzert in den USA hatte am 26. Januar in der New York Public Library stattgefunden. [142]

Darauf berichtet Kurzmann über ihre ersten Monate in Buenos Aires (mindestens ein halbes, höchstens ein dreiviertel Jahr), die Unzufriedenheit mit den örtlichen Verhältnissen, die Belastungen durch das ungewohnte Klima, das Fehlen von wirklichen Freunden, das kränkende Unverständnis, die Unverbindlichkeit und Unzuverlässigkeit der Menschen. Ihre Kritik ist herb, ja bitter:

    »Wir haben einen recht schlimmen Sommer [143] hinter uns, den wir trotz aller, oft unerträglicher Temperaturen in B[ueno]s Aires verbringen mussten, und wir haben viel schlechte Erfahrungen und Enttäuschungen beruflicher Natur mit den Menschen hier gemacht. Die Argentinier versprechen verantwortungslos und hemmungslos das Blaue vom Himmel mit 200% Gewißheit und lassen dann, sobald eine Sache zur Realisierung kommen soll, das Ganze einfach schamlos im Sand verlaufen, als ob nie etwas gewesen wäre, ohne, daß man diese aalglatten verlogenen Menschen dann packen könnte; d. h. sie behaupten, sie sind nicht verlogen, sie seien nur so höflich, daß sie nicht „Nein“ sagen könnten. […] Die Finger einer Hand sind zuviel, um von den vielen Menschen, die wir unterdessen hier kennen gelernt haben, die halbwegs brauchbaren und in unserem Sinn „Normalen“ zu zählen. Wir waren so unglücklich, als wir zu diesen Erkenntnissen kamen, daß, besonders Leuchter, den sehr starken Wunsch hatte[,] nach U.S. zu übersiedeln. […] In diesem Land [Argentinien] kann man nur einen Zweck verfolgen, nämlich viel Geld zu verdienen, um sich dann möglichst oft von diesem Erdteil loskaufen zu können – aber auch das ist nicht so einfach, besonders in meinem Beruf und besonders nicht, wenn man noch nicht die ganze Niedertracht und Schamlosigkeit der hier üblichen „Geschäftsgebahrung“ [sic] angenommen hat.« [144]

Nach der einleitenden, fast den halben Brief einnehmenden Klage, mit der Rita Kurzmann ihrer Enttäuschung und ihrem angestauten Unmut Worte verleiht, kommt sie auf die eigene und Leuchters Arbeit zu sprechen. Von sich selbst erwähnt sie einzig, dass sie jetzt zu Saisonbeginn neue Schüler habe; Leuchter arbeite teils mit seinen an Umfang wachsenden Chören, teils mit dem Teatro-Colón-Orchester. Auch mit Lima (Peru) stehe er – auf Anraten Kolischs – in Verbindung, und dem dortigen, inzwischen leider wieder abgesetzten Bürgermeister habe er sogar ein Bild mit Widmung schicken müssen. Mangels schriftlicher Abmachungen sei jedoch alles noch in der Schwebe.

Dann berichtet sie, man wolle in Buenos Aires in der anstehenden Spielzeit möglicherweise neben dem russischen Pianisten Nikolai Orloff [145] auch Josefa Rosanska (»Josie«), Pianistin und Ehefrau Kolischs, für ein Konzert engagieren. [146] Rosanska hatte, gleich dem Kolisch-Quartett, Südamerika bereits im zweiten Halbjahr 1936 bereist, [147] und Kurzmann hofft, auch das Kolisch-Quartett werde einmal wieder in Buenos Aires gastieren: »Wäre es denn ganz ausgeschlossen, daß Ihr irgendwann in der nächsten Saison herkommt? Es gibt so viele Menschen, die noch heute von Euren hiesigen Konzerten sprechen und sicher glaubten, daß Ihr wieder kommt!«

Von dem bevorstehenden Besuch des Quartetts in Wien hat Kurzmann ihren dort noch wohnhaften ersten Ehemann inzwischen brieflich unterrichtet und ihn gebeten, Kolisch »unbedingt auf[zu]suchen«.

Über Anton Webern schreibt sie:

    »Weberns Nazitum, das seinerzeit von mir nur [148] vermutet, von anderen an Hand von Tatsachen nachgewiesen wurde, scheint sich wieder beruhigt zu haben. Was immer er ist – er ist wunderbar und immer wieder rührend, auch ich erhielt von ihm vor einiger Zeit einen „packenden“ Brief. Er schreibt übrigens entzückend naiv, „ob es unbedingt [149] noch lange dauern muß, bis ich zurückkomme“ und spricht immer noch von „meinem Mann“ in Wien, nämlich von Dr. Kurzmann, obzwar ich ihm, ehe ich abreiste, genau die Situation erklärt habe – er will es scheinbar nicht wahr haben.« [150]

Es folgen noch Fragen nach Kalifornien, dem »Land der Träume«, was zu einem überraschenden Hinweis auf Verbindungen zur Filmszene Hollywoods überleitet:

    »Wenn Sie übrigens wieder hin kommen [d. h. nach Kalifornien], versuchen Sie doch bitte[,] Zinnemann zu sprechen – er verkehrt doch im Hause Viertel und kennt Steuermann [151] – er ist wirklich ein selten netter Kerl, war es wenigstens[,] als ich ihn verließ, und scheint sich, nach seinen Briefen zu schliessen, nicht verändert zu haben.« [152]

Hier müsste der später weltberühmte Filmregisseur Fred Zinnemann gemeint sein, der seit Herbst 1929 in Hollywood tätig war und in den dreißiger Jahren vor allem mit Dokumentarfilmen Erfahrungen für seine großen Kinofilme der fünfziger Jahre sammelte. 1937 wurde er amerikanischer Staatsbürger, zwei Jahre später erhielt er seinen ersten Oscar. [153] In Los Angeles wurde er zunächst persönlicher Assistent des Schriftstellers und Regisseurs Berthold Viertel, einem anderen Wiener Emigranten, der 1928 zunächst für drei Jahre in die USA gekommen war, auf Grund der politischen Verhältnisse aber erst im Anschluss an den Krieg nach Europa zurückkehrte. [154]

Kurzmanns Verweis auf die Bekanntschaft Zinnemanns mit Eduard Steuermann wird durch verwandtschaftliche Bindungen deutlicher, denn Berthold Viertels Frau Salka (geb. Steuermann) war die Schwester des Pianisten Eduard Steuermann. [155]  Rosa Steuermann, eine Schwester Salka Viertels, heiratete 1922 den Regisseur, Schauspieler und späteren Wiener Burgtheater-Intendanten Josef Gielen. [156] Josef Gielen konnte bei Ausbruch des Krieges 1939 von einem Gastspiel in Buenos Aires nicht zurückkehren; 1940 folgten ihm seine (jüdische) Frau mit den Kindern Carola und Michael über Triest ins argentinische Exil. Der Komponist und Dirigent Michael Gielen wurde in Buenos Aires dann Schüler von Rita Kurzmann-Leuchter und Erwin Leuchter (1942–1949). [157]

Bitten um Antwort, gute Wünsche und Grüße an Josie und die Quartett-Kollegen, besonders an der Cellisten Benar Heifetz [158], beschließen Rita Kurzmanns Brief. Den Wunsch, das Land wieder zu verlassen, bekräftigt Leuchter eigenhändig, denn er fügt an:

    »Sehr herzliche Grüsse und auf Wiedersehn, möglichst in U.S.!!
    Erwin Leuchter«.

 

Kapitel 15
Die letzten Jahre

Wann und wo genau Kurzmann und Leuchter heirateten, ist vorerst nicht bekannt. Die Unterlagen der Behörden in Wien enthalten jedoch keinen Hinweis darauf, dass die Ehe noch dort geschlossen wurde. Eine offizielle Eheschließung in Wien wäre zudem schwer in Einklang zu bringen mit Weberns »Naivität«, von der Rita Kurzmann in ihrem Brief an Kolisch spricht, und allein die Tatsache, dass sie Webern vor ihrer Abreise »genau die Situation erklärt habe«, lässt vermuten, dass eine Heirat mit Leuchter nicht unmittelbar nach ihrer Scheidung stattfand. Auch erweckt der Brief an Kolisch insgesamt nicht unbedingt den Eindruck, als ob zur Zeit seiner Entstehung die Ehe bereits geschlossen gewesen sei, und das Thema wird auch nicht ansatzweise gestreift. Kurzmann benutzt zwar häufiger die Form „wir“, spricht aber sonst stets nur von »Leuchter«, nicht etwa von ihrem Mann, und nennt auch nie seinen Vornamen. Gleichwohl sind hierfür auch andere Erklärungen denkbar. Bereits Kurzmanns erste Veröffentlichung in Buenos Aires im Jahre 1939 (El Primer Paso del Pianista Argentino) trägt allerdings den Doppelnamen Kurzmann-Leuchter, so dass die Heirat frühestens auf das zweite Halbjahr 1936 und spätestens auf 1939 anzusetzen ist. [158a]

1938 kehrte Kurzmann für eine Tournee nach Europa zurück und gab in Wien ein Konzert ausschließlich mit argentinischer Musik. Einzelheiten über andere Städte oder das Programm der Konzerte ließen sich zwar nicht in Erfahrung bringen, doch nahm Kurzmann für die Rückkehr nach Argentinien offenbar am 25. März 1938 von Cherbourg in Frankreich aus das Schiff „Almanzora“. [158b] Ebenfalls 1938 – ob vor oder nach der genannten Europareise, ist ungewiss – begleitete Rita Kurzmann in Buenos Aires den Geiger Carlos Pessina [159], den Primarius am Teatro Colón, in einem Zyklus von Violinsonaten:

    »En 1938 hizo una gira por Europa, brindando en Viena un concierto exclusivamente dedicado a la música moderna argentina. En el mismo ano dió en Buenos Aires un ciclo de conciertos de Sonatas para Piano y Violin con Carlos Pessina, primer Violin-Solist del Teatro Colón.« [160]

Ihren fortwährenden Einsatz für die Musik der Gegenwart zeigt ein Konzert der Gruppe Renovación, in dem Kurzmann-Leuchter am 5. Juni 1939 im Teatro del Pueblo in Buenos Aires die Uraufführungen der Klavierstücke Do re mi fa sol (1933) und Canción de otoño (1939) von José María Castro spielte. [161] Das Hauptgewicht ihrer Arbeit scheint in ihren letzten Lebensjahren jedoch weniger auf Konzerten als auf dem Unterricht gelegen zu haben. Zu ihren Schülern zählte dabei unter anderen Michael Gielen, der über diese Zeit schreibt:

    »Musik studieren konnte ich in Argentinien in aller Ruhe, bei wunderbaren Lehrern. Klavierunterricht hatte ich zuerst bei Rita Kurzmann-Leuchter […]. Leider starb sie bereits 1942 und ich ging zu ihrem Mann, Dr. Erwin Leuchter, als Theorielehrer, der nicht nur für mich, sondern für eine ganze Generation von jungen Musikern in Argentinien entscheidend war. Bei ihm wurde man ganz im Sinne Schönbergs klassisch unterrichtet, hat traditionell Harmonielehre und Kontrapunkt gelernt; über neue Musik wurde im Unterricht kein Wort verloren.« [162]

Erhalten hat sich im Acervo Curt Lange [Curt-Lange-Archiv] ein 2-seitiger Prospekt (nicht vor 1939), mit dem Rita Kurzmann-Leuchter offenbar für ihren Unterricht warb:

    »CURSOS | DE | PIANO | RITA KURZMANN LEUCHTER | PREPARACION PARA CONCIERTOS Y ESTUDIOS SUPERIORES | NUEVO METODO DE ENSEÑANZA PARA NIÑOS TALENTOSOS«  [163]

Kurzmann-Leuchters »Lieblingsschüler« (so Michael Gielen [164]) scheint damals Klaus Cabjolski gewesen zu sein, wobei es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um denselben Schüler handelt, den der Geiger Ljerko Spiller [165] 1998 in einem Gespräch mit Regina Thumser erwähnte:

    »Der Sohn von Kabiowski [sic] hat bei Frau Dr. Leuchter Klavier gelernt, hat sehr gut gespielt, war ein sehr versibler Pianist, hatte aber eine Heidenangst, vor Publikum zu spielen.« [166]

Im selben Gespräch erzählt Spiller auch, er sei mit Leuchter »sehr befreundet« gewesen, und bestätigt, dass er mit Rita Kurzmann-Leuchter auch gemeinsam musiziert habe – vermutlich das Berg-Violinkonzert, da er von der Klavierfassung und den von seinem Schwager Michael Gielen wiederholt beanstandeten Fehlern in der Druckausgabe des Werkes spricht. [167] Ein weiteres Mal erwähnt Spiller die Pianistin, als er von seinem anfangs vergeblichen Versuch berichtet, bei Ricordi Americana eine Geigenschule für Kinder zu veröffentlichen, wobei er auf den »tollen Erfolg« verweist, den Kurzmann-Leuchters Buch für den Anfänger-Klavierunterricht damals in Argentinien gehabt habe. [168]

Michael Gielen überliefert, dass Rita Kurzmann-Leuchter in Argentinien wohl nie recht glücklich geworden sei. Als er mit seiner Mutter und Schwester Anfang Februar 1940 in Buenos Aires eintraf, sei es den Leuchters zumindest materiell aber recht gut gegangen. Sie bewohnten damals in der Calle Charcas, einer zentral gelegenen Straße im feinen nördlichen Teil der Stadt, nur einen Block von der Santa Fé entfernt, eine geräumige 4-Zimmer-Wohnung. Da sie gerade in den Ferien waren, borgten sie ihre Wohnung Josef Gielen, der hier seine Familie vorerst unterbringen konnte. Später fanden die Gielens in der Juncal 2000, zehn Blocks weiter westlich, eine eigene Wohnung. Bei Rita Kurzmann hatte Michael Gielen etwa von März 1940 bis kurz vor ihrem Tod im Oktober 1942 Klavierunterricht. Dieser Unterricht fand stets in ihrer Wohnung statt. Es seien »ganz normale«, »konventionelle« Klavierstunden gewesen. Verstorben sei Rita Kurzmann an einem Herzleiden. [168a]

 

Kapitel 16
Die Publikationen in Argentinien

Das sichtbarste Zeichen des pädagogischen Wirkens Kurzmann-Leuchters sind ihre Veröffentlichungen, die sämtlich bei Ricordi Americana S.A. Buenos Aires erschienen, jenem Verlagshaus, das seinerzeit von Renzo Valcarenghi (1860–1947) geleitet wurde. Auch Erwin Leuchters Bücher wurden ab 1942 hier verlegt, und 1943 wurde Leuchter »musikalischer Berater« (Blaschitz), später Lektor (Pahlen) des Verlages. [169]

Kurzmann-Leuchters Veröffentlichungen in Argentinien seien hier chronologisch zusammengestellt, wobei anzumerken ist, dass bisher keine der genannten Ausgaben eingesehen werden konnte. An dieser Stelle sind bibliographisch ermittelte Daten somit nur kumuliert, und eine nähere Beschreibung oder gar Würdigung der Arbeiten von Kurzmann-Leuchter kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Dasselbe gilt für die später folgende Zusammenstellung der Schriften Erwin Leuchters.

    (1)  1939
    El Primer Paso del Pianista Argentino (Rondas, Canciones, y danzas populares arregladas para la enseñanza primaria) [Der erste Schritt des argentinischen Pianisten (Rondos, Lieder und Volkstänze, eingerichtet für den Anfangsunterricht)], [Erste Auflage], Buenos Aires: Ricordi Americana (Editionsnr. 7621), 1939. Zweite, korrigierte Auflage: [Juli] 1940.

    Inhalt: Cu cu / Arrorró mi niño / EL solfeo / Arroz con leche / Sobre el puente de Aviñón / Al pom, pom de la bella naranja / Tengo una muñeca / A la víbora del amor / Diana popular / Palomita ingrata / La torre en guardia / Se me ha perdido una hija / El lobo.

    Eine Neuausgabe des Titels erschien 1974 als „1º serie“ mit Illustrationen von Lucy Boero im selben Verlag; eine von Erwin Leuchter verfasste „2ª serie“1986 (vgl. die Leuchter-Bibliografie)

    (2)  1940/41
    Enseñanza Elemental del Piano [Elementarer Klavierunterricht] 2 Bde., Buenos Aires: Ricordi Americana, sociedad anónima editorial y comercia (Editionsnrn. BA 7931 bzw. 8042).

    Bd. 1: [Juli] 1940
    Inhalt: Los nombres de las teclas / El pentagrama / El valor de las notas y el compás / Canciones con digitacion para una mano / Canciones para ambas manos al unísono / Gimnasia para los dedos / Canciones con acompañamiento / La escala mayor y ejercicios preparat.

    Bd. 2: [Juli] 1941
    Inhalt: Fray Santiago / Romancillo / Canción del organillero / Vamos jugando al hilo de oro / El lorito / El jaravi / La violeta / El cangrejo / Ronda alemana / Canción de cuna (Schubert) / Canto de noche buena / Marcha (Lanner) / Ave Maris Stella / Manco cap. [Library of Congress Call No.: MT746.K88E6]

    (3)  1941
    Canciones de Navidad [Weihnachtslieder], Armonizadas y transcriptas en arreglos faciles para piano a 2 manos, Buenos Aires: ag. Ricordi Americana (Editionsnr. BA 8259), [Dezember] 1941, 41 S.

    (4)  1943
    Ljerko Spiller / Rita Kurzmann-Leuchter, El pequeño violinista, 6 Auflagen, Buenos Aires: Ricordi Americana (Editionsnr. BA 8650), [1943]

    (5)  1943
    Canciones infantiles europeas [Europäische Kinderlieder]. Buenos Aires: Editorial Ricordi, Argentina, 1943. – Canciones Infantiles Europeas. Recopiladas y arregladas para la enseñanza primaria del piano por Rita Kurzmann-Leuchter [Europäische Kinderlieder, zusammengestellt und für den ersten Klavierunterricht eingerichtet von Rita Kurzmann-Leuchter]. Con textos originales y versiones al castellano (traduction de S. M. Castelnuovo) [Noten], Buenos Aires: Ricordi Americana (Editionsnr. BA 8746), 3. Auflage, 1950

    (6)  1943?
    Robert Alexander Schumann, Songs. Selected. Spanish. 12 lieder selectos, para una voz con acompañamiento de piano, textos originales lemanes, traducciones españolas de E. A. Grunauer Herrera, revisión musical de Rita Kurzmann Leuchter, Buenos Aires: Ricordi americana, sociedad anónima editorial y comercial [1943?], 82 S. [Library of Congress Call No.: M1620.S39K8 mit unsicherer Datierung] Über die Lieder Schumanns lässt sich gegenwärtig nichts Genaueres sagen.

    (7)  Datierung fraglich
    Nicht klar ist die Datierung einer Ausgabe von 15 Schubert-Liedern, die von Rita Kurzmann herausgegeben wurde. Eine der Biographien aus dem Acervo Curt Lange nennt zwar Ausgaben sowohl von Schubert-Liedern wie auch von Robert Schumann bei Ricordi (»Revisión musical de la edición de los Lieder de Schubert y Schumann publicadas por Ricordi Americana S.A. Buenos Aires«), doch ließ sich nur die erstgenannte Ausgabe bibliographisch ermitteln. [170] Es handelt sich in diesem Zitat wohl um den ursprünglichen Druck (erschienen 1939 oder früher und somit auf jeden Fall eine der frühesten Veröffentlichungen Kurzmanns in Argentinien) von: Franz Schubert, 15 Lieder. Para una voz con acompañamiento de piano, der bei Ricordi Americana in Buenos Aires erschienen ist. Der „WorldCat“ datiert die Ausgabe auf „[196-]“, womit ein Nachdruck oder eine Neuausgabe in den sechziger Jahren gemeint sein dürfte.

     

 

Kapitel 17
Dreizehn Briefe an Francisco Curt Lange und ein letzter Brief

Unmittelbar Bezug auf ihre Veröffentlichungen nehmen dreizehn handschriftliche Briefe Kurzmann-Leuchters an den bedeutenden Musikethnologen und Herausgeber Francisco Curt Lange (1903–1997) in Montevideo (Uruguay), den »Nestor der Musikwissenschaft in Lateinamerika« (Fürst-Heidtmann). [171] Diese Briefe aus den Jahren 1940/1941 befinden sich heute im Acervo Curt Lange an der Biblioteca Universitária da UFMG in Belo Horizonte, Minas Gerais, Brasilien. [172]

Die Korrespondenz hatte offenbar bereits vor dem ersten erhaltenen Brief (27. März 1940) eingesetzt, da Kurzmann-Leuchter sich für einen Brief Langes vom 24. März und die Anerkennung ihrer Arbeit bedankt und auf Lieder aus Ländern verweist, die sie Lange »seinerzeit angab«. Auch wenn Lange mehrfach plante, nach Buenos Aires zu kommen, lernten sich Kurzmann-Leuchter bis zum Ende der erhaltenen Korrespondenz nicht persönlich kennen.

Inhaltlich betreffen Kurzmann-Leuchters Briefe zumeist Bitten um Material für die von ihr vorbereiteten musikpädagogischen Publikationen sowie Fragen, die mit deren Verbreitung zusammenhängen. Die von Lange an Rita Kurzmann-Leuchter gesandten ergänzenden Briefe konnten bisher nicht wiedergefunden werden.

Hier ein Überblick über die erhaltenen Briefe Kurzmann-Leuchters, die sämtlich auf deutsch geschrieben sind.


    1940

    (1)  27. März 1940 [Mittwoch], 2 S.
    Inhalt: Anfrage wegen Material aus Uruguay für ihre »neue Schule«, denn Renzo Valcarenghi [173] wolle das ganze spanisch sprechende Südamerika in ihrem Unterrichtswerk haben. Bevorstehender Besuch von Lange in Buenos Aires.

    (2)  30. April [1940] [Dienstag], 1 S. (Ref.-No. 7309) [174]
    Inhalt: Erneute Bitte um das uruguayische Material, die Zeit drängt. Erkundigt sich nach der Verbreitung von Mortets [175] Lied A la Mancha in Uruguay. Herr Schraml [176] versuchte kürzlich vergeblich, Lange in ihrer Angelegenheit zu erreichen.

    (3)  16. Mai 1940 [Donnerstag], 1 S. (Ref.-No. 7578)
    Inhalt: Dank für Langes Brief vom 5. Mai [1940]; Bitte um diverses Material; Nachfrage nach Ascone [177] und Fabini [178]; es eilt, die Klavierschule muss spätestens Anfang Juni in Druck gehen.

    (4)  28. Mai [1940] [Dienstag], 1 S. (Ref.-No. 7643)
    Inhalt: Dank für Langes Brief vom 20. Mai sowie die Zusendung eines Liedes von Fabini; Überlegungen über die Einbeziehung uruguayischer Stücke in ihre Klavierschule; Klärung von Abdruckrechten.

    (5)  8. Juli 1940 [Montag], 2 S.
    Inhalt: Dank für Langes Briefe vom 6. und 12. Juni; Neuauflage ihres Primer Paso de Pianista Argentina »mit manchen Verbesserungen« soll in den nächsten Tagen erscheinen; der erste Band ihrer neuen Klavierschule ging in Druck. Abdruckgenehmigung für Lieder von Ascone und Fabini erhalten. Hat jetzt Band 3 [1937] von Langes Boletin [179] bestellt, besitzt Band 4 [1938] seit längerem. Bittet darum, [Carleton Sprague] Smith [180] ihre Telefonnummer und Adresse zu geben oder ihr Smiths Ankunft mitzuteilen.


    1941

    (6)  29. April 1941 [Dienstag], 1 S.
    Inhalt: Ließ Lange den ersten Band ihrer Enseñanza elemental durch Ricordi schicken; bittet um seine Meinung und fragt nach der Verwendbarkeit der Ausgabe in Uruguay. Der zweite Band soll im Laufe des Mai fertig werden und soll bei Interesse ebenfalls an Lange geschickt werden.

    (7)  18. Mai 1941 [Sonntag], 2 S.
    Inhalt: Dank für Langes Brief vom 5. Mai. Sein Brief vom 22. April, in dem er über ihre Enseñanza spricht, muss verloren gegangen sein. Greift seinen Vorschlag auf, einige Exemplare am Konservatorium [von Montevideo] zu verteilen, doch hat die Vertretung von Ricordi in Montevideo bereits eine Anzahl Promotionsexemplare erhalten. Verzögerung des Druckes des zweiten Bandes, da der Setzer erkrankt war.

    (8)  25. Mai 1941 [Sonntag], 2 S.
    Inhalt: Dank für die Kopie des verloren gegangenen Briefes. Sie wird den zweiten Band schicken, sobald er fertig ist. Entschuldigt sich, dass sie im Gegensatz zu Lange nicht auf spanisch, sondern auf deutsch schreibt; das Deutsche sei ihr »[le]ider noch näher«.

    (9)  [Ende Mai oder Anfang Juni 1941] undatiert, 2 S.; vermutlich in unmittelbarer zeitlicher Nähe des vorhergehenden Schreibens, da auffällig ähnliche (dicke) Schrift.
    Inhalt: Hat aus der Zeitung erfahren, dass Carleton Sprague Smith (New York Public Library) nach Südamerika kommt; sie kennt ihn noch aus seiner Wiener Studienzeit [181] und traf ihn auch in New York; nimmt an, dass Smith zu Lange kommt; bittet um Weitergabe ihrer Telefonnummer und Adresse. Smith kenne sie jedoch noch unter ihrem Namen Kurzmann.

    (10)  27. Juni 1941 [Freitag], 2 S.
    Inhalt: Sprach mit Valcarenghi über Langes Kritik an der Vertretung von Ricordi in Montevideo, über die Lange »neulich« geschrieben hatte. Bittet um eine Liste, welche Konservatorien und Personen für eine Bemusterung mit dem zweiten Band ihrer Klavierschule in Frage kämen.

    (11)  30. Juni 1941 [Montag] [Beilage zu …?] (gefaltete Karte?)
    Inhalt: Fragen, ob und wann Lange nach Buenos Aires komme; ob schon Material für sie vorhanden sei und ob Lange Material aus Brasilien (Kinderlieder, Folklore, Tänze) mitschicken könne.

    (12)  23. Juli 1941 [Mittwoch], 1 S. (Ref.-No. 9460)
    Inhalt: Dank für Langes Brief vom 6. Juli und die erbetene Liste; meldet ihre Subskription für das neue Boletin Latino Americano [Band 5] an. Der Gruß »Auf hoffentlich baldiges Wiederhören« lässt möglicherweise auf ein vorausgegangenes Telefonat schließen.

    (13)  1. August 1941 [Freitag], 1 S. (Ref. No. 9549)
    Inhalt: Dank für Langes Brief vom 29. Juli. – Entschuldigt sich, dass Langes Name nicht beim Versand der Ricordi-Exemplare [Enseñanza, Band 1] genannt wurde; der zweite Band der Klavierschule ist nun erschienen und geht in der nächsten Woche an Lange ab.

*

Als letztes Dokument ist ein langer handschriftlicher Brief zu nennen, den Rita Kurzmann am 27. Januar 1942 in den ersehnten Ferien aus ihrem Hotel »Parque Nacional de Nahuel Huapi« bei Bariloche, nahe der chilenischen Grenze, an Louis Krasner schrieb. [181a] Sie kommt dabei auf die Schallplatten des Violinkonzertes von Alban Berg zu sprechen, die Krasner ihr geschickt hatte:

    »Endlich komme ich dazu, Dir für die Bergplatten zu danken. Ich habe sie bis jetzt auf einem mäßigen u[nd] dann auf einem guten Apparat gehört. Ich finde, daß Du ausgezeichnet spielst; tonlich sehr schön, musikalisch u[nd] interpretierend reif u[nd] überlegen; etwas erstaunt war ich manchmal über sehr langsame Tempi. – Leider kann ich, was Klang betrifft, nicht das Gleiche vom Orchester behaupten. Ich finde es nicht plastisch genug, ja stellenweise unverständlich, wenn man die Partitur nicht kennt. Ich weiß nicht, ob es am Dirigenten od[er] an der Aufnahme liegt. Ich will es nochmals, wenn ich in B[uenos] Air[es] bin, auf einem ganz erstklassigen professional Apparat hören. – Wird das Konzert gar nicht mehr gespielt? – Über das Werk selbst war ich faszinierter denn je. Ich hatte Angst, nach so vielen Jahren, in denen ich auch in keiner Weise mit dieser Musik beschäftigt war noch in Verbind[un]g stand – u[nd] war glücklich, daß ich es als zumindest solches Meisterwerk empfand wie seinerzeit.« [181b]

Dann, wie im Vorwissen ihres bald nahenden Endes, informiert sie Krasner von einer testamentarischen Verfügung, die sie inzwischen getroffen habe. Krasners Kinder sollen zehn Prozent jener Tantiemen erhalten, die durch den Verkauf ihrer Unterrichtsbücher, die zunehmende Verbreitung finden, erhalten. Da sie aber nicht wisse, wann sie sterbe, solle diese Begünstigung jedoch sofort in Kraft treten, und sie überweist zugleich die im Januar anfallende Summe, „[a]us Dankbarkeit u[nd] zum Andenken“, wie Krasner es ihr als Kommentar zu den Bergplatten geschrieben hatte. Sie fährt fort:

    »Von mir selbst habe ich nur zu berichten, daß ich mich restlos, mit viel Freude u[nd] Befriedigung der Arbeit ergeben habe. Erst hier habe ich, meiner Meinung nach, gelernt, was Unterricht u[nd] Musikerzieh[un]g heißt – u[nd] eine große Schar von Schülern (ich halte heuer 30 Privatschüler aller Arten, Grade u[nd] auch Nationen) lohnt meine Arbeit (nicht nur indem sie die Honorare pünktlich zahlen!). Jede noch freie Minute gehört meinen Arbeiten für Ricordi, die mich ganz ausfüllen. Gesellschaftliches Leben habe ich, Gott sei Dank, nicht mehr nötig zu führen; der Schreibtisch ist produktiver. – Auch Erwin arbeitet viel. Er hat sich fast ganz auf die Musikwissenschaft geworden [geworfen?] – nichts desto trotz dirigierte er kürzlich ein sehr erfolgreiches Orchesterkonzert – hält Vorträge, Cyclen privat u[nd] öffentlich, als Frucht seiner Arbeit erschien heuer ein Buch von ihm, 10 Vorträge, die er in öffentlichem Auftrag gehalten hat, wurden von eben dieser Stelle in schöner Buchform veröffentlicht. [181c]

Rita Kurzmann-Leuchter stirbt am 20. oder 21. Oktober 1942 in Buenos Aires an einer Herzkrankheit. [182]  Ein kurzer Nachruf erschien in der in New York seit 1934 erscheinenden Exil-Zeitung Aufbau am 6. November 1942:

    »Eine Nachricht, die bei vielen Wiener Musikern und Musikfreunden aufrichtigstes Bedauern hervorrufen wird; Dr. Rita Kurzmann-Leuchter ist, erst 42 Jahre alt, in Buenos Aires einem Herzleiden erlegen. Eine vortreffliche Pianistin, Schülerin Sauers an der Meisterklasse der Wiener Staats-Akademie, studierte sie zugleich Musikwissenschaft und promovierte bei Guido Adler. Sie konzertierte in vielen Städten Europas und war eine geliebte Lehrerin, die auch am Neuen Wiener Konservatorium wirkte. Ein Album und eine zweibändige Klavierschule erschien im argentinischen Verlag Ricordi.  Dr. Rita  Kurzmann-Leuchter wanderte in den Dreissiger Jahren nach Buenos Aires aus und schuf sich auch dort als Pianistin und Lehrerin einen geachteten Namen.« [182a]

Ein auf den 11. April 1943 datierter Brief, den Erwin Leuchter aus Buenos Aires an Krasner schrieb, bestätigte nochmals die testamentarische Verfügung seiner verstorbenen Frau hinsichtlich der Beteiligung an den Tantiemen und ergänzt, dass diese Krasners Kindern nach seinem eigenen Tod in voller Höhe zufallen sollen. [182b]
 

 

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Anmerkungen Teil 2

[88] Nach Auskunft des Wiener Stadt- und Landesarchivs (Magistratsabteilung 8) war Rudolf Kurzmann vom 30.12.1925 bis 23.7.1938 gemeldet in Wien 3, Untere Viaduktgasse 35. Abgemeldet nach Boston, USA. Dass die Vorträge Weberns nicht ausnahmslos hier stattfanden, geht aus Boyntons Webern-Buch – (wie Anm. 16), Seite 47 – hervor; auch die Wohnung Rudolf Ploderers scheint zu diesem Zweck gedient zu haben (vgl. ebenda, S. 49 mit Anm. 101). Zu Ploderer vgl. Anm. 91. Rudolf Kurzmann schreibt auch in seinem schon zitierten ersten Brief an Moldenhauer (Anm. 30): »Bezüglich des Webern[-]Kurses: ich glaube, wir lassen es bei der Bezeichnung „Wiener Privathaus“[.] Diese ist ungefähr, und ebenso komplett und authentisch wie der Rest dieser Broschüre  [gemeint ist Anton Webern, Der Weg zur neuen Musik, vgl. Anm. 92]. Bezüglich der anderen Details des Kurses wenden Sie sich am besten an Prof. Erwin Ratz, er und Dr[.] Polnauer war die treuesten und längsten Mitglieder der Zuhörerschaft; er war es auch, der nach meinem Abgang von Wien nach U.S.A. den Kurs bei sich beherbergte.«

[89] Dies geht zumindest aus einem Dokument hervor, das ich als Kopie von der IGNM Sektion Österreich, Wien, im Oktober 2002 erhielt (für die freundliche Zusammenarbeit ist Joachim Lieben zu danken). Hier gibt es eine masch. Einladung des Vereins für neue Musik zu einer Gedenkfeier für Alban Berg am 15. Febr. 1936, die unter der Vereinsbezeichnung die angegebene Adresse nennt und für die Vereinsleitung masch. unterzeichnet ist mit »Dr. Rita Kurzmann m[anu] p[ropria]« und »Dr. Anton von Webern m[anu] p[ropria]«. Das undatierte Dokument müsste nach Bergs Tod (24. Dezember 1935) zwischen Januar und Anfang Februar 1936 entstanden sein.

[90] Vgl. die Tabelle bei Boynton (wie Anm. 16), S. 52.

[91]  Ploderer, »ein enger Freund [Weberns] und getreuer Schildträger des gesamten Schönberg-Kreises« (Moldenhauer) schied am 20. September 1933 freiwillig aus dem Leben. Vgl. Moldenhauer (wie Anm. 31), S. 361–362 mit Anm. 11 auf S. 616.

[92] Anton Webern, Der Weg zur neuen Musik, hg. von Willi Reich, Wien: Universal Edition, 1960. Die erste der beiden Reihe trug den Titel Der Weg zur Komposition in zwölf Tönen (8 Vorträge zwischen dem 15. Januar und 2. März 1932), die zweite Der Weg zur neuen Musik (8 Vorträge zwischen dem 20. Februar und 10. April 1933).

[93] Moldenhauer (wie Anm. 31), S. 339.

[94] Ebenda et passim.

[95] Else Cross, Webern, wie ich ihn kannte, in: Österreichische Musikzeitschrift, 41. Jg., Wien 1986, S. 560–564; hier S. 560. Else Cross und ihr Mann hatten Weberns Bekanntschaft 1935 bei seinen Vorträgen im Hause der Kurzmanns gemacht (ebenda).

[96] Vgl. Boynton (wie Anm. 16), Tabelle S. 52–53. Vgl. auch R. Busch (wie Anm. 31), S. 31, Fußnote 40.

[97] Vgl. Johann Wilhelm Seidl, Musik und Austromarxismus. Zur Musikrezeption der österreichischen Arbeiterbewegung im späten Kaiserreich und in der Ersten Republik (= Wiener Musikwissenschaftliche Beiträge, hg. von Othmar Wessely, Bd. 17), Wien, Köln, Graz: Böhlau Verlag, © 1989, S. 221 (Nr. 222).

[98] Vgl. Henriette Kotlan-Werner, Kunst und Volk. David Josef Bach, 1874–1947 (Materialien zur Arbeiterbewegung, Nr. 6, hg. vom Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung), Wien: Europaverlag, 1977, im Kapitel Das letzte Arbeiter-Sinfonie-Konzert  (= S. 108–110);  hier  S. 109–110 sowie J. W. Seidl (wie Anm. 97), S. 222–223 (Nr. 228).

[99] J. W. Seidl (wie Anm. 97), S. 133. Vgl. auch Reinhard Kannonier, Zwischen Beethoven und Eisler. Zur Arbeitermusikbewegung in Österreich (= Materialien zur Arbeiterbewegung, Nr. 19, hg. vom Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung), Wien: Europaverlag, 1981, S. 137.

[100] Vgl. Anm. 188, Anm. 190 und Anm. 191.

[101] Vgl. Boynton (wie Anm. 16), S. 52 (Tabelle).

[102] Louis Krasner, geboren am 21. Juni 1903 in Tscherkassy (Ukraine), gestorben am  4. Mai 1995 in Brooklyn, Mass. (USA). Krasner hatte Berg im Februar 1935 um ein Violinkonzert gebeten und ihm in der Folge ein Auftragshonorar von 1.500 $ bezahlt. Vgl. dazu Douglas Jarman, Introduction, in: Alban Berg, Violinkonzert (Sämtliche Werke, 1. Abt.: Musikalische Werke, Bd. 5, Konzerte, Teil 2, vorgelegt von Douglas Jarman), Wien: Universal Edition, 1996, S. XIII–XVII. Krasner spielte die Uraufführung des Werkes 1936 in Barcelona. 1940 führte er auch erstmals Schönbergs Violinkonzert auf; vgl. L. Krasner, A Performance History of Schoenberg’s Violin Concerto, Op. 36, in: Journal of the Arnold Schoenberg Institute, Vol. II, No. 2, February 1978, S. (84)–92.

[103] Oskar [Oscar] Adler (1875–1955), Wiener Arzt und Astrologe, von teils beträchtlichem Einfluss auf die Mitglieder der Zweiten Wiener Schule; vgl. hierüber Burkhard Laugwitz, Das Konzert war eine Demonstration. Louis Krasner und die Uraufführung von Bergs Violinkonzert [gekürzte Fassung des Gesprächs], in: Neue Zeitschrift für Musik, 152. Jg., Heft 10, Mainz, 1991, S. 4–10; hier S. 5–6. Das Gespräch erschien unter demselben Titel in: Üben & Musizieren. Zeitschrift für Musikschule, Studium, Berufspraxis und Elternhaus, 9. Jg., Heft 2, Mainz: B. Schott’s Söhne, März 1992, S. 19–23. Nachdruck in leicht veränderter Form unter dem Titel „Für mich war es am Anfang wirklich ein Problem“. Begegnung mit dem amerikanischen Geiger Louis Krasner, in: Das Orchester, 41. Jg., Heft 10, Mainz: B. Schott’s Söhne, 1993, S. 1054–1061.

[104] Louis Krasner, The Origins of the Alban Berg Violin Concerto, in: Alban Berg Symposion Wien 1980, Tagungsbericht, Redaktion: Rudolf Klein (= Alban Berg Studien, hg. von Franz Grasberger und Rudolf Stephan, Bd. 2), Wien: Universal Edition, 1981, S. 107–117; hier S. 109. Ähnlich Mosco Carner in seinem Buch Alban Berg. The Man and The Work, London: Gerald Duckworth & Co., © 1975, S. (72) mit Fußnote 1, die auf die persönliche Befragung Krasners abhebt.

[105] Berg hatte nach der Uraufführung des Werkes durch das Kolisch-Quartett (8. Januar 1927) erst 1933 auch anderen Quartetten das Aufführungsrecht dieses Werkes eingeräumt. Vgl. Hilmar (wie Anm. 108), S. 138.

[106] Felix Galimir und seine drei Schwestern Adrienne, Marguerite und Renée hatten das Quartett 1927 in Wien gegründet. Bevor sich das Quartett auf Grund der jüdischen Herkunft seiner Mitglieder 1936 auflösen musste, nahm es Bergs Lyrische Suite in Paris für eine Schallplatte auf, die mit dem »Grand Prix Du Disque« ausgezeichnet wurde. Alban Berg schenkte nach der Aufführung jedem der vier Geschwister eine signierte Partitur des Werkes. Vgl. Regina Thumser, Streichquartett als Heimatersatz. Zum Tod von Felix Galimir, in: Aufbau. The Transatlantic Jewish Paper, Nr. 24, 26. November 1999 [Internetfassung]. Vgl. auch Moldenhauer (wie Anm. 31) S. 412, 419 f., 430 sowie [Artikel] Galimir, Felix in: Stengel/Gerigk (wie Anm. 12), Sp. 81 (S. 226). Heute ist die Einspielung des Galimir-Quartetts erhältlich auf der CD The Galimir Quartet of Vienna, the Polydor recordings, 1934-35, New York, NY: Rockport Records, 1999. Vgl. ferner das Buch von Walter Pass, Gerhard Scheit und Wilhelm Svoboda, Orpheus im Exil. Die Vertreibung der österreichischen Musik von 1938 bis 1945, Wien: Verlag für Gesellschaftskritik, 1995, S. 264–265.

[107] Die Ehe wurde 1936 geschlossen. Adrienne Galimir Krasner starb am 28. Februar 1997 im Alter von 84 Jahren. Vgl. American Record Guide, Vol. 60, No. 3, May–June 1997.

[108] L. Krasner, The Origins (wie Anm. 104), S. 109–110. – Über den genauen Tag dieses Hauskonzertes gibt es voneinander abweichende Informationen. Hilmar nennt in ihrem Katalog der Berg-Ausstellung von 1985 den 15. Mai 1934 [Dienstag]; vgl. Rosemary Hilmar, [Katalog] Alban Berg, 1885–1935, Ausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek, Prunksaal, 23. Mai bis 20. Oktober 1985, Wien: Österreichische Nationalbibliothek in Zusammenarbeit mit der Universal Edition, 1985, Seite 138 (Nr. 341). Krasner dagegen spricht von einem Sonntag (»the following Sunday«).

[109] Vgl. Laugwitz, 1991 (wie Anm. 103), S. 6.

[110] Über diese gemeinsamen Konzertreisen ließ sich nichts weiter in Erfahrung bringen.

[111] Laugwitz, 1991 (wie Anm. 103), S. 6. – Krasner bezog sich hier vermutlich auf Weberns Vorträge 1935/36; vgl. Boynton (wie Anm.16), S. 60 sowie Tabelle auf S. 52.

[112] Alban Berg, Violinkonzert, Ausgabe für Klavier und Violine, Wien: Universal Edition (Editionsnr. U.E. 10.903), 1938, 55 S., Solostimme getrennt, 15 S. – Der Verfasser bat den Verlag im August 2002 schriftlich, den fehlenden Namen bei nächster Gelegenheit nachzutragen. In der Literatur ist der Hinweis auf Kurzmann indes gelegentlich schon zu finden, vgl. Bernhard A. Kohl (Redaktion), Das XX. Jahrhundert (I). Hauer – Schönberg – Webern – Berg. Noten und Autographen (= Katalog 3), Stuttgart: Erasmushaus.Musik, © 2003, S. 73 f. (Nr. 329, 330 und 332 ) vgl. Musikantiquariat Dr. Bernhard A. Kohl GmbH.

[113] Krasner, The Origins (wie Anm.104), S. 112. – Der österreichische Geiger Martin Mumelter, der Krasner 1991 in Boston besucht hatte, schrieb mir im April 2004 zu diesem Klavierauszug: »Ganz unbekannt war mir der Name Kurzmann nicht; vor allem durch die Beschäftigung mit Alban Bergs Violinkonzert und durch Gespräche mit Krasner. Der Klavierauszug ist wirklich hervorragend, ich erinnere mich daran, dass mir die erste Probe für die erste Aufführung des Werkes in meinem Leben – ich war achtzehn oder neunzehn und völlig unerfahren, war noch nie vor einem so großen Orchester gestanden, hatte das Werk kaum zwei, dreimal live gehört – keinerlei Probleme machte, da mir vom Klavierauszug her alle wichtigen Vorgänge im Orchester voll präsent waren, das Orchester schien nichts anderes zu sein als die vergrößerte und kolorierte Version des Klavierparts – und Besseres kann man über einen Auszug wohl nicht sagen.« – Mumelters Aufnahme des Berg-Konzertes erschien zusammen mit den Violinkonzerten von Arnold Schönberg und Bernd Alois Zimmermann in der Reihe Extraplatte, Wien 2000, docu 10, ISBN 3-221-80102-5.

[114] Brief Rita Kurzmanns an Berg vom 15. September 1935 (vgl. im Folgenden die Liste der gewechselten Briefe).

[115] Brief Alban Bergs an Rita Kurzmann vom 17.9.1935 abgedruckt in: Rosemary Hilmar, Katalog der Schriftstücke von der Hand Alban Bergs, der fremdschriftlichen und gedruckten Dokumente zur Lebensgeschichte und zu seinem Werk, Wien: Universal Edition (UE 26 254), 1985 (= Alban Berg Studien, hg. von Rudolf Stephan, Bd. 1/2), S. 121–122. – Das Original des Briefes befindet sich heute in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien (Musiksammlung), Signatur: F21 Berg 480/218. Der handschriftliche Brief umfasst vier Seiten; der ebenfalls erhaltene Umschlag trägt die Anschrift: »Frau Dr. Rita Kurzmann | Wien III | Untere Viaduktg. 35«; als Absender trägt die Rückseite Bergs Stempel: »Alban Berg | „Waldhaus“ | in Auen am | Wörthersee | Post Velden | Österreich«. In dem zitierten Katalog sind die zwei von Berg an Rita Kurzmann adressierten Schriftstücke auf S. 37 unter den Nrn. 239 und 249 verzeichnet.

[116] Sergej  Alexandrowitsch Kussewitzky, geboren am 26. Juli 1874 in Wyschnij-Wolotschok (Russland), gestorben am  4. Juni 1951 in Boston (Mass.); Dirigent. Vgl. Nicolas Slonimsky, [Artikel] Kussewitzky, Sergej Alexandrowitsch, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 7 (1958), Sp. 1918–1920. Carner schreibt zur Verbindung zu Kussewitzky: »Krasner was instrumental in getting Kussevitzky, who later conducted the first American performance of the Lulu Suite in Boston, interested in Berg’s music.« Vgl. Carner (wie Anm. 104), S. (72), Fußnote 2. – Vgl. ferner: Louis Krasner, Alban Bergs Violinkonzert in Amerika (Aus einem Brief seines Interpreten [Boston, 19. März 1937]), in: Anbruch. Österreichische Zeitschrift für Musik, hg. von Paul Stefan, 19. Jg., Heft 4/5, Mai 1937, S. 111.

[117] Hans Walter Heinsheimer, geboren am 25. September 1900 in Karlsruhe, gestorben am 12. Oktober 1993 in New York; wurde 1924 Leiter der Opernabteilung der Universal Edition in Wien. Er emigrierte 1938 in die USA. Vgl. Hans W. Heinsheimer, [Artikel] Heinsheimer, Hans Walter, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 16 (1976), Sp. 634. Agenden = [Austriazismus für] zu erledigende Aufgaben, Obliegenheiten.

[118] Vgl. den Abdruck des Briefes (wie Anm. 115). Aus diesem Brief Bergs geht hervor, dass ihm Krasner Rita Kurzmanns Brief vom 15. September persönlich überbrachte.

[119] Das Hotel besteht noch heute als »Villa Bulfon«. Eine Anfrage, ob es dort noch Unterlagen aus der damaligen Zeit gebe, wurde in einem Schreiben vom 11. Januar 2003 verneint.

[120] Alban Berg, Briefe an seine Frau (wie Anm. 72), Nr. 564 (= S. 648 f.); hier Seite 648.

[120a] Willi Reich, Alban Berg. Mit Bergs eigenen Schriften und Beiträgen von Theodor Wiesengrund-Adorno und Ernst Křenek, Wien, Leipzig, Zürich: Herbert Reichner Verlag, Copyright 1937; hier S. 17–18.

[121] Nikolai Berezowsky, geboren am 17. Mai 1900 in Petersburg (Russland), gestorben am 27. August 1953 in New York. Vgl. Karl H. Wörner, [Artikel] Berezowsky, Nikolai, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1 (1949), Sp. 1679–1680; dazu Nachtrag in Die Musik in Geschichte und Gegenwart 15 (1973), Spalte 678. Berezowsky hatte Russland 1920 verlassen und lebte ab 1922 in New York.

[122] Columbia University, New York, NY, Rare Book and Manuscript Library, Signatur: Ms Coll Berezowsky. Da die im Oktober 2002 erhaltene Photokopie das Briefdatum nur undeutlich zeigte und die Tinte des Originals bereits verwischt war, bat ich um Untersuchung. Die erneute, mit einer Lupe vorgenommene Prüfung ergab das hier mitgeteilte Datum, auch wenn eine leichte Unsicherheit bestehen blieb. Der Umschlag des Briefes ist ebenso wenig erhalten wie die in dem Brief erwähnten, ursprünglich beigelegten Photos.

[123] Von ihr stammt das Erinnerungsbuch Duet with Nicky, Philadelphia / New York: J. B. Lippincott Company, 1943 (lag nicht vor).

[124] Über die Hintergründe vgl. Moldenhauer (wie Anm. 31), S. 413–416 oder auch  (mit etwas weniger Respekt vor Webern) Křeneks Autobiographie Im Atem der Zeit (wie Anm. 70), S. 916ff.: Das IGNM-Fest in Barcelona 1936. Zum Programm des Festivals vgl. Anton Haefeli, Die Internationale Gesellschaft für Neue Musik (IGNM). Ihre Geschichte von 1922 bis zur Gegenwart, Zürich: Atlantis Musikbuch -Verlag, © 1982, S. 493–494. Eine aktuelle Berichterstattung schrieb u. a. Willi Reich: Internationales Musikfest in Barcelona, in: Wiener Zeitung, 233. Jg., Nr. 115, Sonntag, 26. April 1936, S. 11, Sp. [2]–[3].

[124a] Vgl. die Ankündigung des Konzerts unter Konzert der Wiener Philharmoniker, in: Wiener Zeitung, 233. Jg., Nr. 294, Sonntag, 25. Oktober 1936, S. 10, Spalte [2]. Eine Besprechung des Konzerts folgte in derselben Zeitung (Nr. 296, S. 8, Spalte [1]) am 27. Oktober 1936: rb., Alban Bergs Violinkonzert.

[125] Laugwitz, 1991 (wie Anm. 103), S. 8.

[126] Leopold Godowsky, geboren am 13. Februar 1870 in Žąsliai (Soschlij bei Wilna), gestorben am 21. November 1938 in New York, Pianist und Komponist. – Da Louis Krasner stets als Bostoner Geiger in der Literatur benannt wird, fand die Begegnung mit Godowsky und Elman, da über ihren Ort nichts Genaueres bekannt ist, vermutlich in Boston statt. wo er mit Rita Kurzmann probte. Dankenswerter Hinweis: Frau Prof. Dr. Claudia Zenck, Universität Hamburg, in einer E-Mail am 4. April 2016.

[127] Mischa Elman, geboren am 8. (20.) Januar 1891 in Talnoje (Ukraine), gestorben am 5. April 1967 in New York, Geiger. Vgl. auch [Artikel] Elman, Mischa, in: Stengel/Gerigk (wie Anm. 12), Sp. 62 (S. 216).

[128] Krasner, The Origins (wie Anm. 104), S. 113.

[129] Ebenda, S. 112.

[130] Laugwitz, 1991 (wie Anm. 103), S. 8.

[131] Kurt Manschinger [Pseudonym: Ashley Vernon], geboren am 25. Juli 1902 in Wieselburg-Mosony [Mosonmagyaróvár], Ungarn, gestorben am 23. Februar 1968 in New York; Komponist, Musikkritiker, Musikwissenschaftler, emigrierte über die Tschechoslowakei und England 1940 in die USA. Vgl. Reinhard Müller, Einige österreichische Flüchtlinge in Großbritannien, Internet-Publikation (pdf-Datei), S. 36.

[132] Moldenhauer (wie Anm. 31), S. 412. Leider ist hier keine genauere Quelle angegeben, so dass zu vermuten ist, Hans Moldenhauer habe die Informationen Manschingers bei einer persönlichen Begegnung oder durch Briefe erhalten, wovon er auf S. 13 in der Einleitung seines Buches spricht.

[133] Moldenhauer (wie Anm. 31), S. 413. Vermutlich handelte es sich hier um dieselbe Aufführung, auf die der Pianist Karl Steiner (1912–2001) in einem Interview zu sprechen kommt, welches Reinhard Kapp für den Orpheus Trust am 21. Juni 1997 führte und das im Archiv dieser Einrichtung als Abschrift archiviert ist. (Eine Photokopie der 12-seitigen Abschrift erhielt ich im November 2002). Darin spricht Steiner u. a. vielfach über seine Lehrerin, die Schönberg-Schülerin Olga Novakovic (1884–1946), und erwähnt auch einige Stücke aus dem Kreis der Wiener Schule, die er damals studierte: »Zum Beispiel … ich glaube, es war Rita Kurzmann, die den Klavierauszug zum Berg-Violinkonzert gemacht hat, und die hat das geschickt, das hat sie [gemeint ist wohl Novakovic] mir sofort gezeigt, bevor das noch aufgeführt wurde, und dann war die österreichische Erstaufführung in Wien, vor diesem Konzert war vor geladenen Gästen eine Aufführung für die Universal-Edition. Novakovic hat dort begleitet. Deshalb hat sie auch den Auszug bekommen.« (S. 2 der Abschrift). Es ist freilich kaum anzunehmen, dass Novakovic in diesem Zusammenhang das Berg-Konzert zusammen mit Krasner spielte; vielleicht gab es jedoch ein anderes Werk, das bei dieser Gelegenheit noch aufgeführt wurde und in dem Novakovic mitwirkte. Möglicherweise suchte Kurzmann zu dieser Zeit, als ihre Auswanderung bereits festgestanden haben dürfte, nach einer kompetenten Nachfolgerin, die sich des Klavierauszuges annehmen könne. Novakovic, die früher bereits Bergs Klaviersonate aufgeführt hatte (Wiener Konzerthaus, 25. April 1925) und auch sonst mit den Werken der Wiener Schule vertraut war, stellte sicher die erste Wahl dar. Steuermann, jüdischer Herkunft, trug sich vielleicht ebenfalls schon mit dem Gedanken an eine 1937 erfolgte Auswanderung. Ansonsten ist mir von Beziehungen zwischen Kurzmann und Novakovic nichts bekannt.

[134] Masch. Programm der Veranstaltung (Archiv der Universal Edition, Wien). Weitere Werke auf dem Programm: Alexander Jemnitz, Serenade op. 24 für Violine, Viola und Cello; Josef Matthias Hauer, 8 Hölderlin-Lieder und Roberto Gerhard, Sechs katalanische Volkslieder. Zu den Interpreten zählten noch Elsie Stein, Lotte Hammerschlag, Joachim Stutschewsky, Hertha Glatz und Ernst Křenek. Die Verlesung des Berichtes der Jury und die Bekanntgabe der Preisträger des Jahres 1936 erfolgte durch den Publizisten und Chefredakteur Dr. Friedrich Scheu (1905–1985), den 1938 nach England emigrierten Sohn von Helene Scheu-Riecz (1880–1970).

[135] Masch. Kurzbiographie von Rita Kurzmann, Biblioteca Universitária da UFMG, Acervo Curt Lange, Belo Horizonte - Minas Gerais, Brasilien. Hier heißt es: »En 1936 fué invitada a visitar los Estados Unidos de Norteamericana, donde propagó la música moderna austríaca […].« Nähere Einzelheiten ließen sich bisher nicht ermitteln. Der masch. Bericht über die Finanzlage des Vereines (IGNM Sektion Österreich) für das Geschäftsjahr 1936/37, der mit »4.11.36« datiert ist und in dem es heißt »Frau Dr. Rita Kurzmann, d[er]z[ei]t USA«, könnte möglich einen Hinweis auf das genannte Konzert in den USA darstellen. Das Dokument befindet sich im Archiv der IGNM Sektion Österreich, Wien.

[136] Die widersprüchlichen Vermerke auf der Wiener Meldekarte von Rudolf Kurzmann »Gattin vor 2 Jahren, 1936 nach Buenos Aires abgem[eldet]« bzw. »soll ausgew[andert] sein 24.5.1938« lassen sich dadurch erklären, dass das letztgenannte Datum lediglich die nicht unübliche Datierung des Eintrags auf der Meldekarte festhält und nicht den Tag der Auswanderung. Zum anderen lässt sich dem im Folgenden behandelten Brief an Kolisch vom 19. März 1937 entnehmen, dass die Auswanderung bereits 1936 stattgefunden haben muss.

[137] Zur Situation der österreichischen Emigranten in Südamerika vgl. Blaschitz, Argentinien, in: Wie weit ist Wien (wie Anm. 15), S. 21–26 (S. 24 zu Kurzmann u. Leuchter). Vgl. auch das Zitat aus Robert Schopflocher, Mittellos in die Fremde. Deutsch-jüdisches Leben in Argentinien (wie Anm. 27); weitere Informationen zu dieser Thematik bei Elena Ostleitner, „Fremd bin ich eingezogen …“. Anmerkungen zum Alltag österreichischer Musiker im lateinamerikanischen Exil, in: Hartmut Krones (Hg.), Geächtet, verboten, vertrieben. Österreichische Musiker 1934–1938–1945 (Schriften des Wissenschaftszentrums Arnold Schönberg, Bd. 1), Wien. Böhlau, 2005 (lag nicht vor).

[138] Franz Salmhofer, geboren am 22. Januar 1900 in Wien, gestorben am 22. September 1975 ebenda. Vgl. Robert Stockhammer, [Artikel] Salmhofer, Franz, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 11 (1963), Sp. 1307–1308. Ergänzung in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 16 (1976), Sp. 1633.

[138a] Diese Namen werden in der Festschrift von 1934 (vgl. Anm. 58), S. 26 genannt, und zwar in einer Rubrik, die die Namen der »erfolgreichsten Schüler« (»nach eigenen Angaben der Lehrer« [S. 10]) erfasst.

[139] Siehe im Abschnitt Erwin Leuchter Anm. 192.

[139a] Vgl. die Quelle in Anm. 31a, S. [2].

[139b] Ebenda (wie Anm. 139a), S. [4].

[140] Rudolf Kolisch, geboren am 20. Juli 1896 in Klamm (Niederösterreich), gestorben am 1. August 1978 in Waterstown (Mass., USA). Mit seinem 1922 gegründeten Streichquartett (»Kolisch-Quartett«) setzte er sich insbesondere für die Werke des Schönberg-Kreises ein. Vgl. Rudolf Kolisch, Zur Theorie der Aufführung. Ein Gespräch mit Berthold Türcke (= Musik-Konzepte, Bd. 29/30), München: edition text + kritik, Januar 1983. Vgl. auch [Artikel] Kolisch, Rudolf (H.) in: Stengel/Gerigk (wie Anm. 12), Sp. 140 (S. 255).

[141] Signatur: bMS Mus 195 (492).

[142] Vgl. Claudia Maurer Zenck, „Was sonst kann ein Mensch denn machen, als Quartett zu spielen?“ – Rudolf Kolisch und seine Quartette. Versuch einer Chronik 1921–1944, in: Österreichische Musikzeitschrift, 53. Jg., Heft 11, Wien 1998, S. 8–57; hier S. (37).

[143] Hier ist zu berücksichtigen, dass der argentinische Sommer in Europa in die Wintermonate fällt.

[144] Rita Kurzmann an Rudolf Kolisch (wie Anm. 141), Bl. [1]–[2].

[145] Nikolai Orloff, geboren 14. (26.) Februar 1892 in Jeletz (Jelez, [Russland, Gouvernement Orel), gestorben am 31. Mai 1964 in Grantown-on-Spey (Schottland); wo er seit seiner Übersiedelung von Paris gelebt hatte; vgl. Paul Frank und Wilhelm Altmann, Kurzgefaßtes Tonkünstler-Lexikon, 1. Teil: Neudruck der Ausgabe von 1936, 15. Aufl., Wilhelmshaven: Heinrichshofen’s Verlag, © 1971, S. 438. Vgl. auch [Artikel] Orlow, Nikolaj Andrejewitsch, in: Riemann Musiklexikon, Personenteil L–Z, Mainz 1961, S. 348 sowie dass., Ergänzungsband, Mainz 1975, S. 307 f.

[146] Josefa Rosanska (1904–1986). Die Ehe mit Kolisch wurde am 1. Oktober 1934 in London geschlossen. Vgl. Maurer Zenck (wie Anm. 142), S. 30. – Kurzmann beruft sich hier auf die Mitteilungen von Frau Schraml, deren Mann gerade in Europa war und vergeblich den Kontakt zu Kolisch in Brüssel gesucht hatte. Laut einer brieflichen Mitteilung von Michael Gielen vom 28. Dezember 2002 waren die Schramls Agenten, „die so gut wie alle emigrierten Künstler vertraten“, nach dem Krieg aber, seiner Erinnerung nach, ihre Selbständigkeit aufgaben und für die große Agentur Quesada arbeiteten. Hier müsste es sich um José J. Schraml gehandelt haben, der seit 1920 Repräsentant der Konzertagentur von Ernesto de Quesada in Buenos Aires war (Conciertos Daniel); vgl. die Quesada gewidmeten und bebilderten Webseiten [Link veraltet, 24.2.2019] als pdf-Datei. In diesem Zusammenhang wird Schraml mehrfach genannt (S. 4, 5, 8, 14, 24, 28, 32, 33).

[147] Maurer Zenck (wie Anm. 142), S. 35.

[148] »nur« = nachträgliche Einfügung.

[149] »unbedingt« = nachträgliche Einfügung.

[150] Rita Kurzmann an Rudolf Kolisch (wie Anm. 141), Bl. [3]. Über Weberns Verhältnis zum Nationalsozialismus vgl. das Kapitel Webern und das Dritte Reich (1938–1941), in: Moldenhauer (wie Anm. 31), S. 469–483; Krasner (wie Anm. 28); Fred K. Prieberg, Musik und Macht, Frankfurt a. Main: Fischer Taschenbuch Verlag, © 1991, S. 255–264; Laugwitz, 1991 (wie Anm. 103), 8–9 (Webern und der Nationalsozialismus).

[151] Eduard Steuermann, geboren am 18. Juli 1892 in Sambor, Galizien, gestorben am 11. November 1964 in New York. Der wichtigste Pianist im Schönberg-Kreis, der seit dem Pierrot lunaire an zahlreichen Uraufführungen Schönbergscher Werke teilnahm. Steuermann, jüdischer Herkunft, emigrierte 1937 in die USA.

[152] Rita Kurzmann an Rudolf Kolisch (wie Anm. 141), Bl. [3].

[153] Fred Zinnemann, geb. am 29. April 1907 in Wien, gest. am 14. März 1997 in London. Zinnemann drehte von 1938 bis 1982 19 Kurzfilme und 21 Spielfilme; berühmt wurden unter anderem Zwölf Uhr mittags (1952), Verdammt in alle Ewigkeit (1953) und Geschichte einer Nonne (1959). Zinnemann, der mit vielen Hollywood-Stars arbeitete, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter mehrere Oscars. Vgl. Fred Zinnemann (und Alexander Walker), Fred Zinnemann. An Autobiography, London: Bloomsbury, 1992; hier besonders Early Days (1907–1933), Seite 7–29. – Eine Anfrage bei der Fred Zinnemann Collection (Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Beverly Hills, California), ob dort Briefe von Rita Kurzmann(-Leuchter) erhalten seien, verlief negativ (briefliche Mitteilung von Barbara Hall, Research Archivist, vom 9. September 2002).

[154] Berthold Viertel, geb. am 28. Juni 1885 Wien, gest. am 24. September 1953 ebd., Schriftsteller, Dramaturg, Regisseur, Essayist und Übersetzer. Bekanntschaft unter anderen mit Kafka, Eisenstein, Stefan Zweig, Heinrich Mann. – Viertel war im Februar 1928 auf Veranlassung von Friedrich Wilhelm Murnau in die USA ausgereist. Zu Viertel vgl. Irene Jansen, Berthold Viertel. Leben und künstlerische Arbeit im Exil (= Austrian Culture, Vol. 2), New York (u. a.): Peter Lang, © 1992; Friedrich Pfäfflin (Bearb.), Berthold Viertel im amerikanischen Exil (Marbacher Magazin, hg. von Bernhard Zeller, Heft 9), Marbach am Neckar: Schiller Nationalmuseum und Deutsches Literaturarchiv, 1978 (begleitend zur Ausstellung Mai – September 1978).

[155] Salka Viertel, geboren am 15. Juni 1889 in Wycholowka (Galizien [heute: Ukraine]), gestorben am 30. Oktober 1978 in Klosters bei Davos (Schweiz). Erst Schauspielerin, dann in Hollywood Drehbuchautorin der Produktionsfirma Metro-Goldwyn-Mayer (unter anderem für die mit ihr befreundete Greta Garbo). Ihr literarischer Salon in Los Angeles wurde ein wichtiger Treffpunkt emigrierter Künstler.

[156] M(ichael) G(ielen), [Artikel] Josef Gielen, in: Wie weit ist Wien (wie Anm. 15), S. 35–36.

[157] Michael Gielen, geb. am 20. Juli 1927 in Dresden. Vgl. Rudolf Lück, [Artikel] Gielen, Michael Andreas, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart 16 (1976), Sp. 469–470 sowie U(rsula) S(eeber), [Artikel] Michael Gielen (wie Anm. 15), S. 36–38. – Vgl. auch den Aufsatz von Michael Gielen Mein Onkel Eduard Steuermann, in: Paul Fiebig (Hg.), Michael Gielen; Dirigent, Komponist, Zeitgenosse, Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler, © 1997, S. 169–177; ferner: ders., Autobiographische Notizen (1984 …), ebenda, S. 94–114, hier besonders Seite 94–103. Vgl. auch Michael Gielen, »Unbedingt Musik«. Erinnerungen, Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag, [Juli] 2005, passim.

[158] Irrtümlich »Haifetz« geschrieben.

[158a] Frau Prof. Dr. Claudia Zenck benannte zur Präzisierung des Datums von Rita Kurzmanns Heirat mit Erwin Leuchter einen Brief, den Josefa Rosanska-Kolisch an Rudolf Kolisch am 26. September 1936 geschrieben hatte – siehe: Harvard University, Houghton Library, bMS Mus 194 (54, folder 2). „[E]r [der Brief] macht m[einer] A[nsicht] n[ach] deutlich, dass Rita Kurzmann zur Zeit des Briefes bereits mit Leuchter verheiratet war, denn sie wird dort als ,Rita Leuchter‘ apostrophiert.“ (C. Zenck) Somit hat man anzunehmen, dass die Heirat vor diesem Datum (26. September 1936) erfolgte. Frau Prof. Dr. Claudia Zenck, Universität Hamburg, sei vielmals gedankt für diesen Hinweis (E-Mail am 30. März 2016).

[158b] Die Details über die Rückreise nach Argentinien erfuhr ich im März 2009 dankenswerterweise von Silvia Glocer, Buenos Aires, welche als Herkunft der Informationen das Centro de Estudios Migratorios Latinoamericanos (CEMLA) benannte.

[159] Carlos Pessina, geboren am 16. September 1897 in Buenos Aires, gestorben 1974, seit 1926 Erster Sologeiger des Orchesters am Teatro Colón. Vgl. [Artikel] Pessina, Carlos, in: Who’s Who in Latin America (3rd ed.), Part V: Argentina, Paraguay, and Urugay, ed. by Ronald Hilton, Stanford, Chicago, London (1950), Seite 151; ferner: [Artikel] Pessina, Carlos, in: Quien es quien en la Argentina. Biografias contemporaneas, Quinta edicion, Buenos Aires: Editorial Guillermo Kraft Limitada, [1950], S. 471–472.

[160] Aus dem im Folgenden genannten Prospekt; vgl. Anm. 163 und Anm. 172.

[161] José María Castro, geboren am 15. Dezember 1892 in Avellaneda, P[rovin]cia Buenos Aires, gestorben am 2. August 1964 in Buenos Aires. Die Uraufführung wird auf einer Castro gewidmeten Website erwähnt.

[162] Gielen, Autobiographische Notizen (wie Anm. 157), S. 100. Vgl. aber auch die kritischen Töne Gielens gegenüber Leuchter im Hinblick auf seine eigene kompositorische Entwicklung, ebenda, S. 103.

[163] Der gedruckte Prospekt zeigt zudem ein Photo von Rita Kurzmann-Leuchter (vgl. Photo), und enthält neben Adress- und Telefonangaben eine knappe Biographie sowie zehn Presseauszüge (»Extractos de criticas«) aus Zeitungen (Wien, London, Den Haag, Kopenhagen, Lemberg und Buenos Aires). 1938 ist das späteste in dem Prospekt genannte Jahr, doch gibt es am Ende einen Hinweis auf Kurzmann-Leuchters El primer paso del pianista (»Edición reciente de la Casa Ricordi«), so dass der Prospekt 1939 erschienen sein müsste. Bilddateien des Prospektes erhielt ich aus dem Acervo Curt Lange in Belo Horizonte, Brasilien, vgl. Anm. 172. Kurzmann-Leuchters auf dem Prospekt gedruckte Adresse lautet: »Centro: Santa Fe 453 – U. T. 31/9489 | Belgrano [Stadtteil von Buenos Aires]: Zapiola 2184«, doch ist diese Adresse mit Schreibmaschine korrigiert in: »Paraguay 946/Vc (Tel. U.T. 31/9139)«. Ihre Briefe an Lange geben 1940 an: »Charcas 934/IV. Buen. Aires«, ab 1941 dann nur noch die Anschrift »Paraguay 946/Vc«.

[164] Brief an den Verfasser vom 22. Juni 2002.

[165] Ljerko Spiller, geboren am 22. Juli 1908 in Crkvenica, Kroatien, gest. am 9. November 3008 in Buenos Aires, Geiger, Dirigent und Pädagoge. Vgl. Blaschitz, [Artikel] Ljerko Spiller, in: Wie weit ist Wien (wie Anm. 15), S. 63 und 64 (Photo).

[166] Vgl. das am 17. Juli 1998 in Salzburg auf Tonband aufgezeichnete Gespräch von Regina Thumser mit Ljerko Spiller, das sich als Abschrift im Orpheus-Trust Wien befindet; hier S. 165.

[167] Ebenda, S. 147–148. Ljerko Spiller heiratete Carola Gielen, die Tochter von Rosa Gielen, geb. Steuermann, und Schwester von Michael Gielen. Die Abschrift eines Gesprächs, das Albert Lichtblau mit Ljerko Spiller am 22. Juli 1998 in Salzburg führte, ist ebenfalls im Orpheus-Trust Wien vorhanden. – Zu den erwähnten Fehlern in der Partitur befragt nannte mir Michael Gielen in einem Brief vom 7. Oktober 2002 die Takte 4 und 5 des letzten Satzes. Die Irrtümer wurden in der Neuausgabe von 1996 (vgl. Anm. 102) berichtigt.

[168] Wie Anm. 166, S. 159. Vermutlich meinte Spiller Kurzmann-Leuchters El Primer Paso del Pianista Argentino, das in Kapitel 16 genauer unter (1) beschrieben wird. Zu einer gemeinsamen Veröffentlichung scheint es jedoch noch in dem unter (4) verzeichneten Druck gekommen zu sein, der erst nach dem Tod von Kurzmann-Leuchter erschien.

[168a] Briefliche Mitteilungen von Michael Gielen vom 16. August bzw. 28. Dezember 2002. Zur Adresse der Leuchters vgl. auch Anm. 163.

[169] Edith Blaschitz, [Artikel] Erwin Leuchter (wie Anm. 15) bzw. Kurt Pahlen, [Artikel] Leuchter, Erwin (wie Anm. 13).

[170] Vgl. Anm. 163.

[171] Francisco Curt Lange, geboren am 12. Dezember 1903 in Eilenburg (bei Leipzig), gestorben am 3. Mai 1997 in Montevideo; vgl. F. C. Lange, [Artikel] Lange, Francisco Curt, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 8 (1960), Spalte 183–184; Monika Fürst-Heidtmann, Francisco Curt Lange. Pionier, Mittler, Nestor der Musikwissenschaft in Lateinamerika, in: Ibero-Amerikanisches Archiv, Neue Folge, 17. Jg., Nr. 2/3, Berlin: Colloquium Verlag, 1991, S. 245–258 sowie Gerard Béhague, [Artikel] Lange, Francisco [Franz] Curt [Kurt], in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, 2nd edition, Vol. 14, London 2001, Seite 239–240.

[172] Record No. 0782. – Bilddateien sämtlicher Briefe, eines gedruckten Werbe-Prospektes für Kurzmann-Leuchters Unterricht (vgl. Anm. 163) sowie zwei masch. Kurzbiographien (spanisch und englisch) erhielt ich im Mai 2002 aus dem genannten Archiv.

[173] Der bereits erwähnte Direktor von Ricordi Americana; nochmals genannt in Brief Nr. 10.

[174] Die gelegentlich am Briefbeginn eingefügten Referenz-Nummern stammen von Kurzmann-Leuchters Hand und sind keine Signaturen des Acervo Curt Lange.

[175] Luis Cluzeau-Mortet, geboren 1889 in Montevideo, gestorben 1957 ebenda, uruguayischer Komponist. A la Mancha [= Nr. 1 der Tres cantos escolares] stammt von 1932.

[176] Zu José J. Schraml vgl. Anm. 146.

[177] Vicente Ascone, geboren am 16. August 1879 in Siderno (Kalabrien, Italien), gestorben am 5. März 1979 in Montevideo. Ascone wird namentlich erwähnt in den Briefen Nr. 3, 4 und 5.

[178] Eduardo Fabini, geboren am 18. Mai 1882 in Solís de Mataojo, Lavalleja, Uruguay, gestorben am 17. Mai 1950 in Montevideo.Vgl. Kurt Pahlen, [Artikel] Fabini, Eduardo, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Bd. 3, Spalte 1696–1697. Fabini wird erwähnt in den Briefen Nr. 3, 4 und 5.

[179] Hier ist die epochale, von Lange begründete und herausgegebene Publikation Boletín latino-americano de música gemeint. Von 1935 bis 1946 erschienen sechs aufwändige Bände (1.1935–4.1938, 5.1941 und 6.1946), die von einzigartigem dokumentarischen und kulturgeschichtlichem Wert sind, in Rio de Janeiro (Editorial Cooperativa Interamericana de Compositores). Vgl. hierzu Fürst-Heidtmann (siehe Anm. 171), S. 249.

[180] Carleton Sprague Smith, geboren am 8. August 1905 in New York, gestorben am 19. September 1994 Washington, CT; Flötist und Musikologe; von 1931 bis 1943 und 1946 bis 1959 Leiter der Musikabteilung der New York Public Library. Siehe Paula Morgan und Israel J. Katz, [Artikel] Smith, Carleton Sprague, in: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, 2nd edition, Vol. 23, London 2001, Seite 566–567 – Smith wird erwähnt in den Briefen Nr. 5 und 9.

[181] Sprague Smith promovierte 1930 in Wien mit der Dissertation Ein Vetternzwist im Hause Habsburg. Die Beziehungen zwischen Spanien und Österreich im 17. Jahrhundert, Dissertation Wien 1930.

[181a] Vgl. den Brief vom 27. Januar 1942 unter der in Anm. 31a genannten Quelle.

[181b]  Ebenda (wie Anm. 181a), S. [1].

Die am 15. Dezember 1940 entstandene Erstaufnahme des Violinkonzerts von Berg mit Louis Krasner (Leitung: Artur Rodzinski, „The Cleveland Orchestra“) ist auf einer 78er-LP veröffentlicht worden. Diese Aufnahme ist heute, versehen mit weiteren Informationen, als freier Download in der Digitalisierung von F. Reeder (New Transfer, High bit rate) im „Internet Archive“ aufrufbar (siehe hier). Ob hier tatsächlich diese und keine andere Aufnahme des Stückes von Rita Kurzmann-Leuchter gemeint ist, möchte ich nicht ungeprüft behaupten, doch ist es aufgrund der zeitlichen Nähe einigermaßen wahrscheinlich. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass seinerzeit auch Tonaufnahmen für Rundfunkzwecke (etwa auf Wachsplatten) gespeichert wurden, so dass Verwechslungen vorkommen könnten.

[181c] Ebenda (wie Anm. 181a), S. [2]. – Bei der zuletzt genannten Veröffentlichung Leuchters müsste es sich um die zehn Vorträge in La historia de la música como reflejo de la evolución cultural (Rosario [1941]) handeln. Vgl. Kapitel 20 unter 1941.

[182] Eine der maschineschr. Biographien aus dem Acervo Curt Lange nennt den 20. Oktober, die andere den 21. Oktober 1942 als Todestag. Um den Sachverhalt zu klären, wandte ich mich am 16. Februar 2003 brieflich sowohl an die Dirección Nacional de Migraciones sowie das Registro Nacional de las Personas (Registro de Defunciones) in Buenos Aires, erhielt aber von beiden Stellen keine Antwort.

[182a] [Unsignierter Artikel unter der Überschrift] Aus der Musikwelt, in: Der Aufbau, the Jewish paper for transatlantic dialogue, 9. Jg., New York, Friday, November 6, 1942, S. 10, Spalte [3] (Online-Ausgabe [Link veraltet, 24.2 .2019]).

[182b] Siehe die Quelle des Briefes unter Anm. 31a.

 

 

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Erste Eingabe ins Internet:  Donnerstag,  8. April  2004
Letzte Änderung: Sonntag, 24.2.2019
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